: Harmonisches und Sperriges
Warum ist Gefälligkeit eigentlich ein Schimpfwort? Wer Musik herabsetzen will, der verunglimpft sie gerne als gefällig. Aber natürlich gefällt das Gefällige nicht nur den Massen, sondern in der richtigen Stimmung zur richtigen Zeit auch Menschen, die sich als Statussymbol einen anspruchsvolleren Musikgeschmack zugelegt haben. Bei denen darf dann neben den CDs von der Deutschen Grammophon und den Live-Aufnahmen aus der New Yorker Knitting Factory auch Norah Jones stehen.
In dieses Regal könnte demnächst auch Siri Svegler Aufnahme finden. Die in Berlin lebende Schwedin macht auf ihrem zweiten Album „Lost & Found“ so vieles richtig, dass die Musik vor lauter Perfektion bisweilen fast klaustrophobisch wirkt. Wie eine Musikfachfrau mit Beamtenstatus sucht sich die 30-Jährige die allerbesten Elemente aus Folk und Pop, ein wenig Jazz und auch ein bisschen Country zusammen, dann rührt sie daraus einen jederzeit geschmackssicheren Cocktail an. Die Akustikgitarren werden sanft gezupft, das Klavier mit Hingabe angeschlagen und das Schlagzeug vorzugsweise vorsichtig gerührt. Schließlich, wenn es kaum noch harmonischer zugehen könnte, setzen Streicher ein, ohne allerdings in den Fettnapf aus orchestralem Pathos zu treten. Dazu singt Svegler mit einer glockenhellen Stimme, die kein Wässerchen trüben kann, berückende Melodien, die zwar recht vorhersehbar sind, den Hörer aber trotzdem wehrlos machen.
AUF dagegen klingen wie ein Gegenentwurf zu Siri Svegler. Nein, gefällig ist das Berliner Duo auf keinen Fall. Obwohl man nicht genau weiß, ob sie nicht doch gefallen wollen. Denn Sängerin und Gitarristin Anne Rolfs und Schlagzeuger Mathias Brendel beweisen mit ihrer Debüt-Ep, die den pragmatischen Titel „CD“ trägt, dass sie wissen, wie man forsche Rockmusik spielt und die mit Melodien verziert, die durchaus gängigen Vorgaben gehorchen. Aber Rolfs singt nicht nur Texte, in denen es wohl um sexuelle Abhängigkeiten und enttäuschende Beziehungen geht, sondern tut das auch noch mit einer seltsamen Fistelstimme, die immer kurz vorm Umkippen ins Krächzen scheint.
Diese Stimme vor allem sorgt dafür, dass die meist recht kompakten, zwischen Kraut- und Punkrock mäandernden Songs der erst in diesem Jahr gegründeten Band immer ein wenig dilettantisch wirken. Das allerdings sorgt eben dafür, dass sich jeder Anflug von Gefälligkeit sehr schnell wieder verflüchtigt.
THOMAS WINKLER
■ Siri Svegler: „Lost & Found“ (Royal 22D/ Megaphon)
■ AUF: „CD“ (Graumann Records/ Broken Silence)