KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Mit seinem Beitrag für den deutschen Pavillon hat der Architekt Muck Petzet auf der letzten Architekturbiennale in Venedig eine wichtige Diskussion angestoßen. „Es geht um Schrumpfung und Verkleinerung und um Revitalisierung, Umnutzung, Ergänzung in bestehenden Gebäuden und das Füllen von Lücken im Gewebe der Städte“, hieß es. Die Galerie Neu stand diesem Prinzip immer schon nahe. 1998 bezogen Thilo Wermke und Alexander Schröder ein ungenutztes Nebengebäude der Charité und versahen es mit einer hölzernen Fassade, die dem Bungalow die Anmutung einer Feriendatsche verlieh. Weil die Humboldt-Universität aber nun andere Ziele mit dem Grundstück in Mitte verfolgt, ist die Galerie kürzlich umgezogen und bespielt die ehemaligen Zweiträume am Mehringdamm jetzt als Erstdomizil. Baulich könnten die Unterschiede nicht größer sein. Während die Baracke den unfertigen Charme der Berliner Aufbruchsjahre nach der Wende versprühte, atmet der repräsentative, wenn auch etwas heruntergekommene Eckaltbau noch die Opulenz der Gründerzeit. Beim ersten Blick in die leere, großbürgerliche Zimmerflucht mit altem Intarsienparkett und Stuck verwundern nur die für Berlin eher untypischen Holzpaneele, welche die Wände bis auf halbe Höhe vertäfeln. Denn diese Platten zeigen seltsame Spuren: Sie scheinen Wasser abbekommen zu haben, die Maserung ist aufgesprungen, das ehemals honigfarben lasierte Holz ist angegraut und verschmutzt. Kein Wunder, 15 Jahre lang fristeten sie ihr Dasein als Dach des Galeriepavillons, ehe der Künstler John Knight sie im Juni zur Innenausstattung der neuen Räume adelte. Für die neue Ausstellung ließ Reena Spaulings diese Holzvertäfelung einfach an den Wänden und zitiert sie in Malereien, die im kleinen Küchenraum hängen. Hier taucht die signifikante Holzstruktur nun als dekoratives Do-it-yourself-Element auf. Hinter Spaulings verbirgt sich übrigens keine reale Person, sondern ein Künstlerkollektiv mit wechselnden Mitgliedern, das auch eine Galerie in New York betreibt. Im Korridor stehen deshalb auch Karusselle mit Postkarten von expressiv porträtierten Galeristenkollegen. Das Projekt geht zurück auf eine Kooperative zwischen Mode und Kunst, kritischem Aktivismus und Kulturkommerz, die sich in den Neunzigern als Bernadette Corporation gründete und 2004 einen Roman veröffentlichte, dessen Protagonistin den Namen Reena Spaulings trug. Reena Spaulings ist also in vielerlei Hinsicht auch nur eine Attrappe, die in einem übertragenen Sinne künstlerische Prinzipien wiederverwertet. (bis 31. August, Mehringdamm 72)