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Archiv-Artikel

Eiszeit am Fluss Dnjestr

Transnistrien steigt aus Friedensverhandlungen mit der Republik Moldau aus. Grund: neue Zollbestimmungen

BERLIN taz ■ Die Friedensgespräche zwischen der Regierung der Republik Moldau und dem abtrünnigen Landesteil Transnistrien sind seit einigen Tagen ausgesetzt. Mit diesem Schritt reagierte die autoritäre Führung Transnistriens auf neue Zollbestimmungen des Nachbarn Ukraine. Diese Regelungen, auf die sich die Ukraine und die Republik Moldau in einer gemeinsamen Erklärung vom 30. Dezember 2005 verständigt hatten, sehen vor, dass alle Transitwaren aus Transnistrien mit moldauischen Zollpapieren versehen sein müssen.

Transnistriens Präsident, Igor Smirnow, reagierte prompt und sprach von einer Wirtschaftsblockade seiner „Republik“. Er forderte Kiew auf, die politischen Konsequenzen zu bedenken sowie eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern, die „auch hunderttausende Ukrainer treffen würde“. Unter solchen Bedingungen seien weitere Verhandlungen sinnlos.

Die harsche Reaktion Smirnows kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren gilt die international nicht anerkannte Republik Transnistrien, die sich 1992 nach einem kurzen Bürgerkrieg mit mehreren tausend Toten von der Republik Moldau abspaltete, als Drehscheibe für Waffen-, Drogen-, Alkohol- und Menschenhandel im großen Stil. Von diesen lukrativen Geschäften, die durch die Durchlässigkeit der Grenze zur Ukraine bisher möglich waren, profitierte außer dem Smirnov-Klan auch Russland. Das einstige Bruderland, das neben Moldau, Transnistrien, der Ukraine, der OSZE, der EU und den USA an den Friedensverhandlungen teilnimmt und das Regime in Tiraspol stützt, ist in Transnistrien immer noch mit Truppen präsent.

Am letzten Wochenende warnte das russische Parlament vor enormen Schäden für Transnistriens Wirtschaft, die zu einer humanitären Katastrophe in der Region führen könnten. Zuvor hatte Außenminister Sergei Lavrow dazu aufgerufen, die Wirtschaftsblockade zu stoppen.

Bleibt die Frage, warum Kiew sich gerade jetzt anschickt, den transnistrischen Sumpf trockenzulegen. Ein Grund könnte sein, dass sich der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko für einen baldigen Beitritt zur WTO empfehlen möchte. Zudem wird am 26. Juni in der Ukraine ein neues Parlament gewählt, und Juschtschenko könnte versucht sein, durch ein hartes Auftreten gegenüber Transnistrien seiner Partei zu weiteren Wählerstimmen verhelfen zu wollen.

Unterdessen kämpft Tiraspol auch noch an der Heimatfront. Seit kurzem gilt ein Gesetz, das die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durch ausländische Geldgeber verbietet. Dieses Vorgehen habe bereits in Weißrussland und Russland gute Ergebnisse erbracht, hieß es.

BARBARA OERTEL