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Durch Europa joggen

AEROBIC-POP Mit dem Preisgeld einer kanadischen Casting-Show sind „Trike!“ nach Europa gekommen – und hiergeblieben. Heute Abend feiert das hyperaktive Stepptanz-Elektro-Pop-Duo sein erstes Album im Molotow

Aus dem Traum von der Europa-Tournee ist längst ein Dauerlauf geworden

VON ROBERT MATTHIES

Dass Xania Keane und Stephen Taylor alias „Trike!“ gemeinsam jede Menge Spaß haben, wird schnell deutlich. Nicht nur der Moderator muss herzhaft lachen, als die beiden für die „Bro Jake’s $20.000 Gong Show“ eines Vancouver Rock-Video-Radios ein Medley ihrer Songs irgendwo zwischen anarchischer Performance-Kunst, 80er-Synthie-Pop und Elektrobeats zum Besten geben: Keane hüpft, singt, steppt und rappt in rotgestreiften Socken, während Kollege Taylor schlaksig tanzend und gestikulierend seinem Keyboard allerlei zackige Alleinunterhalter-Schlagzeugpatterns, schlingernde Orgeleien und 80er-Arpeggios entlockt. Mit ihrer aerobischen Pop-Hyperaktivität verweisen „Trike!“ die Konkurrenz auf die Plätze und ergattern das begehrte Preisgeld der Kleinkunst-Casting-Show.

Das hat das chronisch klamme kanadische Duo anschließend in die Umsetzung seines großen Traums investiert: eine Tournee durch Europa. 15 Termine waren anfangs geplant, ganz ohne Unterstützung durch ein Plattenlabel oder einen Tourmanager. Unterwegs in einem kleinen, mit Equipment, Schlafsäcken und Kostümen vollgepackten Fiat Punto, per Anhalter oder mit Bus und Bahn haben die beiden am Ende ihrer ersten Tour schließlich über 150 Auftritte quer über den ganzen Kontinent gespielt – die Termine allesamt über soziale Netzwerke wie Myspace oder Facebook organisiert.

Nicht immer mit großem Erfolg. In Athen standen die beiden nach langer Reise aus Osteuropa schließlich vor zwei zahlenden Gästen. Und anschließend ohne Geld, Laptop und somit tourplanerische Kommunikationsfähigkeit und Beat-Bastelmöglichkeit da – und die Diebe hatten sich nicht mal den Auftritt angesehen.

Aber aufzugeben ist für Keane und Taylor keine Möglichkeit, schließlich gilt es der Welt beizubringen, wie der „Trikey“ getanzt wird. Zur Not eben tagsüber auf der Straße – viel weniger als in den kleinen Clubs am Abend verdient man da schließlich auch nicht.

Dabei wissen „Trike!“ durchaus auch große Säle mit offenen Mündern zurückzulassen. In Hamburg standen Keane und Taylor einst auf der Bühne des Schauspielhauses: Taylor rezitiert Shakespeare, wirft die Keyboards um und spielt im Liegen weiter, Keane bläst in Plastiktröten, spielt Geige oder miniaturisierte Metal-Gitarren. Anschließend geht es im Jogging-Schritt Richtung Ausgang, die Hälfte des Saals im Gefolge, und mit leuchtenden Stäben in den Händen rund um den Hauptbahnhof herum. Erst dreißig Minuten später steht der verschwitzte Lauftreff wieder vor den erstaunten Rest-Publikum im Theater – und Taylor spielt den Song zu Ende. „Jog it“ heißt die epische Sport-Hymne, die auch in anderen Innenstädten regelmäßig für bizarre Szenen und verwirrte Passanten sorgt.

Auch aus dem erfüllten Traum von der Europa-Tournee ist übrigens längst ein Dauerlauf geworden. Nach Kanada zurückzukehren steht nicht mehr auf dem Plan – das Duo hat keine Lust auf die „rechtsgerichtete, bürokratische, Anti-Kunst-Phase“ in der alten Heimat: unmöglich, dort als Künstler zu überleben.

Stattdessen wird eine Wohnung in Berlin gesucht. Und das erste Album „Trike & The Vikings“ erscheint im April auf dem belgischen Label „Cheap Satanism Records“, aufgenommen wurde es in Dänemark. Die Release-Party mit jeder Menge Handclaps, Laser-Sounds und Stepptanz steigt heute Abend im Molotow im Rahmen der neuen Reihe „Beta-Zerfall“. Und um Mitternacht geht es im Laufschritt einmal über den Kiez.

■ Do, 25. 3., 21 Uhr, Molotow, Spielbudenplatz 5

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