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Archiv-Artikel

Die Kontrolle der Norm

JUSTIZ Das Adoptionsverbot für homosexuelle Partner wird fallen. Das signalisierten die Karlsruher Richter bereits. Nur wann? Eine Richterin in Berlin-Schöneberg will es jetzt beschleunigen

Adoption und Politik

■ Lage weltweit: Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ist unter anderem erlaubt in Frankreich, Großbritannien, Belgien, in den Niederlanden, Spanien, Norwegen, Schweden, Australien, Neuseeland, Kanada, teilweise in den USA, Südafrika, Argentinien, Brasilien und Uruguay. Lediglich die Sukzessivadoption ist legal in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Portugal, Finnland und Slowenien.

■ Deutsche Parteien: Die CDU erklärt in ihrem Wahlprogramm: „Wir bekennen uns zum Verfassungsgebot der besonderen Förderung von Ehe und Familie. Die Diskriminierung anderer Formen der Partnerschaft, auch gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, lehnen wir ab.“ Die Adoption wird jedoch nicht erwähnt, während SPD, Grüne, Linke und FDP ausdrücklich die Gleichstellung schwuler und lesbischer Partner auch bei Adoptionen fordern.

KARLSRUHE taz | In Deutschland kann auch ein kleines Amtsgericht große Verfassungspolitik machen – so wie eine Familienrichterin aus Berlin-Schöneberg, die das Adoptionsverbot für homosexuelle Partner für verfassungswidrig hält. Dieses kann sie vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, wenn sie einen entsprechenden Fall entscheiden muss. Man nennt das konkrete Normenkontrolle.

Selten war es so einfach, mit einer Normenkontrolle Erfolg zu haben, wie hier. Die Verfassungsrichter haben rechtlich schon alles vorbereitet, sie brauchen nur noch den passenden Fall und ein Gericht, das ihn vorlegt.

Seit 2001 gibt es das neue Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft, seit 2009 fordern die Verfassungsrichter in immer neuen Urteilen eine Gleichstellung mit der Ehe, zuerst bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung, dann bei der Erbschaftssteuer, der Grunderwerbssteuer und im Beamtenrecht. Es war daher keine Überraschung, dass die Richter in diesem Juni auch ein steuerliches „Ehegattensplitting“ für Homopaare forderten.

Keine logische Fortsetzung sind aber die Adoptionsfälle: Hier geht es nicht nur um Gleichbehandlung im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch um die betroffenen Kinder. Im Februar 2013 hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit dem Homo-Adoptionsrecht befasst und ebenfalls ein wegweisendes Urteil gesprochen. Dabei ging es um die sogenannte Sukzessiv-Adoption, bei der erst ein Partner das Kind adoptiert und später der andere. Bisher war sie nur für Heteropaare erlaubt, Karlsruhe öffnete sie auch für Homopaare.

Dabei gingen die Richter weiter, als nötig war. Um den konkreten Fall zu entscheiden, hätte der Hinweis genügt, dass das adoptierte Kind zum Zeitpunkt der zweiten Adoption ja schon im Homohaushalt lebt und es nur gewinnen kann, wenn auch das zweite Elternteil rechtliche Verantwortung übernimmt. Die Richter hätten dabei offenlassen können, ob homosexuelle Eltern generell gut für ein Kind sind oder das Kindeswohl eher gefährden. Doch der Senat hielt sich nicht zurück, sondern betonte, es gebe keine Erkenntnisse, dass homosexuelle Paare schlechtere Eltern seien als klassische Eltern mit Vater und Mutter. Das ist ein klares Signal, dass Karlsruhe auch die verbotene gemeinsame Adoption eines fremden Kindes durchsetzen wird – sobald sich die Chance ergibt.

Eigentlich eine Steilvorlage für die Familienrichterin in Schöneberg, die genau dieses Ziel verfolgt. Doch die Richterin verstolperte die Chance. Zwar wartete sie mit ihrer Richtervorlage, bis das Urteil zur Sukzessivadoption vorlag, doch im Vorlagebeschluss erwähnte sie das neue Urteil dann kein einziges Mal. Sie zitierte immer nur das Karlsruher Urteil zur Hinterbliebenenversorgung von Homopartnern aus dem Jahr 2009, aber dort finden sich naturgemäß keine Ausführungen zum Kindeswohl.

Dieser Verzicht ist nicht nur ungeschickt, sondern macht die Richtervorlage sogar rechtlich unzulässig. Denn das vorlegende Gericht muss sich mit der einschlägigen Karlsruher Rechtsprechung auseinandersetzen.

Das lässt sich ändern. Die Richterin muss nur einen verbesserten Vorlagebeschluss nachreichen. Ein größeres Problem könnte sein, dass sich der konkrete Fall nicht für eine Grundsatzentscheidung eignet. Da es hier um eine Erwachsenen-Adoption geht (siehe oben), spielt die entscheidende Frage des Kindeswohls gar keine Rolle. Das macht ein Adoptionsverbot zwar besonders absurd, doch es wäre nur wenig gewonnen, wenn in dieser speziellen Konstellation ein Verfassungsverstoß angenommen würde. Die politisch eigentlich relevante Frage, ob ein homosexuelles Paar gemeinsam ein bisher unbekanntes minderjähriges Kind adoptieren kann, bliebe wohl weiter offen.

Hier hilft auch keine Nachbesserung. Nötig wäre ein besserer Fall. CHRISTIAN RATH