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Archiv-Artikel

berliner szenen Unterwegs mit Hot Dog

Magische Dunstkreise

Eine Kombination aus Hunger und Zeitdruck treibt mich in den Imbiss Hot Dog World hinein. Drinnen nimmt ein türkischer Mann im guantánamofarbenen Shirt meine Bestellung entgegen. Dänischer Hot Dog, vegetarisch. Während das weiße Brötchen heiß wird, füllt der Türke seine versenkten Metallbehältnisse mit Senf und Ketchup aus großen Plastikeimern auf. Ich glaube wenigstens, dass er das tut, denn genau sehen kann ich es nicht. Er vollzieht die Auffüllung fast heimlich, indem er mir verstohlen seinen breiten Rücken zudreht und seltsam leise hantiert. Hinter mir sitzt ein Vater mit seinem Kind, das ein Stoffkamel besitzt. Der Vater redet kindisch mit dem Kind. Das Kind redet ganz normal mit seinem Kamel.

Draußen regnet es. Ausnahmslos alle Passanten, die meinen Weg kreuzen, starren auf meinen Hot Dog. Ich warte jedes Mal, bis sie vorübergegangen sind, bevor ich wieder abbeiße. Ein gepflegter blonder Hund sitzt sphinxartig auf dem verregneten Bürgersteig. Vornehm hat er eine Pfote angewinkelt. Den Regen ignoriert er komplett. Er erinnert mich an Hillary Clinton, die ich gestern im Fernsehen gesehen habe, aber die Gedankenverbindung fehlt.

Als ich die letzte Röstzwiebel aus der Papierecke knibble, überholt mich eine Frau. Ich habe sie schon vorher gerochen, denn sie hat sich verschwenderisch mit Parfum eingesprengt. Jetzt befinde ich mich vollständig in ihrem Dunstkreis. Ausnahmsweise mag ich den Duft, weil er mich an früher erinnert. Deshalb atme ich sogar extra tief ein. Plötzlich hustet die Frau etwas sehr Hässliches mit lautem Krachen ab. Erschrocken halte ich die Luft an und denke „Strg + Z“, weil ich gerne meine letzten Atemzüge zurückgenommen hätte, aber zu spät. KATHARINA HEIN