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Archiv-Artikel

Nationalisten können einpacken

Die Anmelder der Talat-Pascha-Demo wollen mit einem Eilantrag gegen deren Verbot vorgehen. Unterstützung finden sie unter Berliner Türken kaum noch: Die Gruppe gilt als integrationsfeindlich

VON ALKE WIERTH

Als radikal, gar kriminell sind sie bisher nicht in Erscheinung getreten, die „Vereine zur Förderung des Gedankenguts Atatürks“. Seit Jahrzehnten gibt es sie außer in der Türkei auch in nahezu allen großen deutschen Städten. Genau genommen sind sie außerhalb der türkischen Community gar nicht in Erscheinung getreten. Denn die Aktivitäten der „Atatürkcüs“ genannten treuen Anhänger des Kemalismus spielen sich in der Regel in einem engen Kreis bürgerlich-intellektueller Zuwanderer aus der Türkei und in türkischer Sprache ab.

Dass die Hüter der Erinnerung an den türkischen Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk, die sich in dessen Tradition als Vertreter fortschrittlicher und demokratischer Ideen betrachten, nun plötzlich im Rampenlicht stehen, passt Ali Uras gar nicht. Der Vorsitzende des Berliner Atatürk-Vereins, dessen Mitgliederzahl er mit 300 angibt, hat sich schon in der vergangenen Woche von der geplanten Großdemonstration am 18. März distanziert. Türkische Organisationen hatten sie zum Gedenken an den früheren Innenminister des Osmanischen Reiches, Talat Pascha, geplant. Dabei sollte auch gegen die von ihnen als „Lüge“ betrachtete Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern protestiert werden.

Nicht distanziert hat sich aber der Dachverband der deutschen Atatürkcüs. Mit Hinweis auf diesen Veranstalter wurde die Demo am Montag von der Berliner Polizei verboten. Man befürchte, dass dort die Ereignisse von 1915 geleugnet und Talat Pascha, der als damaliger Innenminister des Osmanischen Reiches mitverantwortlich für den Völkermord war, verherrlicht werde, sagte ein Polizeisprecher.

Diese Spaltung der Atatürk-Vereine ist das Ergebnis einer Unterwanderung durch Anhänger der nationalistischen türkischen Arbeiter-Partei (Isci Partisi). „Sie haben keinen eigenen Apparat. Deshalb versuchen sie, Vereine zu unterwandern, um ihre politischen Ziele durchzusetzen“, sagt Ali Uras. Zu diesen Zielen gehört unter anderem die Ablehnung jeglicher Annäherung an die EU. Sie wird von der Partei als Aufgabe der türkischen Souveränität betrachtet.

Doch mit dem aggressiven Ton, den diese Gruppe in ihren Demo-Aufrufen anschlug, konnten sich viele der türkischen Vereine in Deutschland, die die Demo zunächst mittrugen, nicht abfinden. „Wir haben hier klare Ziele in Sachen Integration“, sagt beispielsweise Ilkin Özisisk. Der 33-Jährige ist Sozialdemokrat und Mitglied im Integrationsbeirat des Berliner Senats.

Auch der Verein Türkischer Sozialdemokraten in Deutschland TSD, dessen Vorsitzender Özisik ist, hat sich in der vergangenen Woche von der Demonstration distanziert. „Wir arbeiten hier sehr erfolgreich für sozialen Frieden und Demokratie auch mit dem Innensenator zusammen“, sagt Özisik. Da könnten nicht aus der Türkei einfliegende Aktivisten „hier etwas veranstalten, was wir dann ausbaden müssen“. Genau wie Ali Uras ist Özisik der Meinung, dass die Frage des Völkermords an den Armeniern von Historikern, „auch armenischen“, geklärt werden müsse.

Mit einem Eilantrag versuchen jetzt die verbliebenen Demo-Veranstalter doch noch eine Genehmigung für ihren am Samstag geplanten Protest zu erhalten. Eine Reihe von Gegenveranstaltungen, die unter anderem von der Aktion Sühnezeichen organisiert werden, findet laut deren Angaben wie geplant statt.