: Wowereit schert sich um Schering
Darmstädter Pharma-Unternehmen Merck wirbt für die Übernahme von Schering. Klaus Wowereit bleibt skeptisch, sieht aber kaum Einflussmöglichkeiten des Senats
Im Märchen frisst der hungrige Wolf Kreide, um seinen Appetit stillen zu können. In der rauen Wirklichkeit der Berliner Wirtschaft ging gestern das Darmstädter Pharma-Unternehmen Merck, das Schering gegen den Willen des Weddinger Pharma-Konzerns schlucken will, auf eine groß angelegte Werbetour in eigener Sache. Die Botschaft, die Schering-Mitarbeiter per Zeitungsanzeige, Berliner Journalisten im Kaminzimmer des Hotels Adlon und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im direkten Gespräch erreichte: Wir wollen nur das Beste.
Für die Aktionäre, den Standort Deutschland und die Schering-Mitarbeiter sei das Übernahmeangebot ein gutes, so Merck in der Zeitungsanzeige. „Wir denken in Generationen, nicht in Quartalen“. Garant für diese zukunftweisende Perspektive sei eine Unternehmerfamilie in der 12. Generation. Der Standort Berlin werde in der neuen Unternehmensgruppe eine bedeutende Rolle spielen, so Merck-Geschäftsführer Michael Römer. Bei der Übernahme gehe es nicht in erster Linie um Kosteneinsparungen. Unredlich wäre es aber auch zu sagen, es gäbe keine Synergieeffekte durch die Übernahme.
„Wir wollen ein neues Unternehmen“, sagt Merck-Aufsichtsratschef Wilhelm Simson. Eine Zerlegung von Schering sei nicht geplant, die Finanzierung der Übernahme sei gesichert. Was die Übernahme aber für die Berliner Schering-Standorte und die knapp 6.000 Beschäftigten bedeuten würde – dazu äußerten sich die Merck-Manager nur vage. Dies müsse bei Verhandlungen mit Schering geklärt werden.
Beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit konnten die Merck-Manager die Zweifel gestern jedenfalls nicht ausräumen. „Ich habe Sorge um die Arbeitsplätze und den Standort“, sagte ein sichtlich angespannter Wowereit im Anschluss an sein Gespräch mit Merck. „Ich schreie nicht hurra, wenn ein anderes Unternehmen Schering übernehmen will – erst recht dann nicht, wenn dies nicht einvernehmlich geschehen soll.“ Über die Werthaltigkeit von Versprechungen mache er sich keine Illusionen. Schließlich müssten 500 Millionen Euro, die Merck durch die Übernahme sparen wolle, irgendwo herkommen.
Der Senat sei aber nicht in der Lage, „einen strategischen Einfluss zu nehmen“, so Wowereit. Der Senat sei kein Verhandlungspartner und habe nicht die Absicht mitzubieten. Letztlich könnten die Aktionäre selbst entscheiden, ob sie das Merck-Angebot annehmen wollen. Eine einvernehmliche Lösung zwischen beiden Unternehmen sieht Wowereit zurzeit nicht. Merck bietet 77 Euro je Schering-Aktie; der Kurs ist mittlerweile bei über 80 Euro angekommen.
Schering wehrte sich gestern weiter gegen die feindliche Übernahme. „Dieses Angebot ist für uns nicht attraktiv“, so Schering-Chef Hubertus Erlen. Nun werde man intensiv mit den Aktionären reden. „Wir sind in einer schwierigen Lage“, so Erlen. Jetzt gehe es aber darum, weiter zu wachsen. RICHARD ROTHER