: Eine ungesunde Verbindung
Benzol entsteht, so vermuten Lebensmittelchemiker, wenn in Erfrischungsgetränken der Konservierungsstoff Benzoesäure mit Vitamin C reagiert
VON HANNA GERSMANN
Apfelfruchtsaft – das hört sich gesund an. Doch das Getränk kann unappetitliche Nebenwirkungen haben. Es kann Spuren des Krebsgifts Benzol enthalten. Das bestätigte Bernhard Kühnle der taz. Er leitet die Abteilung Lebensmittelsicherheit im Bundesverbraucherministerium. Und er stützt sich auf die Analyse von 64 Getränken.
Längst ist bekannt, dass Benzol zu Leukämie führt und die Keimzellen schädigt. Die Chemikalie wird dem Saft nicht zugefügt. Das Problem ist offenbar eine Reaktion im Getränk: Lebensmittelchemiker vermuten, dass das Gift erst entsteht, wenn Benzoesäure ins Spiel kommt – und mit Vitamin C reagiert. Benzoesäure ist ein gebräuchlicher Konservierungsstoff, der auch auf der Verpackung ausgewiesen wird. Hersteller verwenden ihn vor allem, um Getränke länger haltbar zu machen. Zudem steckt Vitamin C natürlich immer in Obst und Gemüse. Und weil viele glauben, dass viele Vitamine helfen, werden sie auch künstlich zugesetzt.
So ist der Mix von Konservierungsstoff und Vitamin C häufig. Dabei haben Wissenschaftler die Reaktion der beiden Substanzen bereits vor 15 Jahren beobachtet, allerdings nur im Labor. In echten Säften wurde sie bislang nicht untersucht. Letztes Jahr wurden in den USA und Großbritannien Softdrinks getestet – und Benzol gefunden. Daraufhin schaltete hierzulande das Bundesverbraucherministerium das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein.
Die BfR-Experten schrieben, es gebe einen „Verdacht“, dass sich Benzol in nichtalkoholischen Erfrischungsgetränken“ bilden könnte. Es fehlten, so heißt es in der Stellungnahme, die der taz vorliegt, aber Daten, um das Risiko beurteilen zu können. Nun beauftragte das Agrarministerium die Lebensmittelkontrolleure der Länder, mehr Benzol-Fakten zu besorgen.
Dieser Bericht liegt jetzt ebenfalls vor, herausgeben will ihn das Ministerium allerdings nicht. Die ersten 64 Getränke seien untersucht, sagt Kühnle. In 33 Proben habe sich kein Benzol gefunden, jedoch in den anderen 31. Marken und genaue Belastungen nennt die Behörde nicht.
Abteilungsleiter Kühnle erklärt nur: „Die Benzol-Konzentrationen haben nie den Grenzwert überschritten, der für Trinkwasser gilt.“ Der liegt bei einem Mikrogramm pro Liter, für Fruchtsäfte gibt es bislang keine Benzol-Grenze. Der Stoff wurde dort nicht vermutet. „Ein akutes Gesundheitsrisiko besteht nicht“, sagt Kühnle. Er meint allerdings auch, das giftige Benzol habe in Getränken nichts zu suchen. „Es gibt keine tolerable Menge.“
Schon die kleinste Dosis ist giftig. Bei geringen Belastungen finden Forscher im Blut von Probanden Schäden an Blut- und Knochenmarkszellen. „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand kann keine Menge angegeben werden, die als unbedenklich gilt“, urteilt auch das BfR.
Das Agrarministerium will die Saftindustrie nun bald zu einem Gespräch laden. Die Hersteller, so Kühnle, müssten „die Belastungen mindern, die Behörden weitere Daten sammeln“.
Von einem Risiko im Saft will Karsten Sennewald, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaftindustrie, aber nichts wissen. Die Substanz sei überall, käme aus Autoabgasen und Zigarettenqualm. Die Stadtluft ist tatsächlich mit mehreren hundert Mikrogramm Benzol belastet. „Sie müssen das Atmen einstellen“, meint Sennewald. Dennoch untersuchten die Hersteller ihre Getränke jetzt auf Benzol. In zehn Tagen gebe es Ergebnisse. Sennewald: „Wir werden Belastungen mindern, wo es geht.“
Purer Saft ist jedenfalls selten. Immer öfter werden Lebensmittelanalytiker fündig. Erst kürzlich entdeckte die Deutsche Umwelthilfe die Druckfarbe ITX in Getränken. Kühnle ist überzeugt: „Je besser unsere Analysetechnik, umso mehr Stoffe werden wir finden – und mindern“. So werde die Qualität nach und nach besser.
Britta Klein vom Online-Dienst was-wir-essen.de empfiehlt derweil, im Supermarkt „hundertprozentigen Saft zu kaufen“. Echter Fruchtsaft darf nämlich nicht wie andere Erfrischungsgetränke chemisch haltbar gemacht werden. Heißt: Aufs Etikett achten!
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