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Archiv-Artikel

Allah in Delmenhorst

Mordaufruf per Gebet? Die Staatsanwaltschaft hat gegen ein muslimisches Online-Portal wegen des Aufrufs zu Straftaten gegen den Islamkritiker Hans-Peter Raddatz Anklage erhoben

von Kai Schöneberg

Hans-Peter Raddatz provoziert. Zuletzt warnte der Orientalist im Karikaturenstreit vor der Preisgabe westliche Werte. Die verletzten Muslime seien nur „unfähig, Kritik zu ertragen“. Der Islamkritiker erhielt schon mehrfach Morddrohungen. Zuletzt wurde ein Baum in seinem Garten gefällt. Kurz zuvor war im Delmenhorster Online-Portal muslim-markt.de angeblich zum Lynchjustiz gegen ihn aufgefordert worden, Raddatz spricht von einem „geschickt in ein Gebet verpackten Mordaufruf“.

Genau das ist jedoch die Frage. Nachdem sie Gutachten von drei Islamwissenschaftlern eingeholt hat, hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten Anklage erhoben. Der Muslim-Markt habe „zumindest billigend in Kauf genommen, dass Straftaten vorgenommen werden, die möglicherweise sogar mit dem Mord des Herrn Raddatz enden“, sagt Sprecher Bernard Südbeck.

Es geht um einen Eintrag im Online-Forum des Muslim-Markts aus dem vergangenen Jahr. Dort hieß es in einem „Gebetsvorschlag“: „Wenn der Islam so ist, wie Herr Raddatz es immer wieder vorstellt, dann möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion vernichten! Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen.“

Yavuz Özoguz ist ein freundlicher Mann. Zusammen mit seinem Bruder betreibt er den Muslim-Markt, den selbst ernannten „Startpunkt zum Islam für deutsch sprechende Gläubige“. Täglich wird der Muslim-Markt nach Özuguz‘ Angaben 40.000 Mal angeklickt. Bei einer Verurteilung muss der Muslim, der sich selbst als „Fundamentalist“ bezeichnet, mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechnen. „Gott entscheidet doch nicht hier auf Erden“, betont der gläubige Muslim zu den Vorwürfen. Man habe den Namen von Raddatz nach den Vorwürfen, die im vergangenen Jahr durch Report Mainz öffentlich wurden, umgehend unkenntlich gemacht, außerdem nach der Baum-Attacke sofort verbreitet: „Wer Raddatz etwas antut, schadet dem Islam“. Zudem kündigte der Ingenieur Özoguz seine Stelle an der Universität Bremen, um seine Vorgesetzten dort vor einer „Kampagne“ zu bewahren.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Muslim-Markt Ärger mit der Justiz bekommt. Im Frühjahr 2004 wurde Yavuz Özoguz vom Amtsgericht Delmenhorst wegen Volksverhetzung zunächst zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Muslim-Markt hatte eine Rede des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei dokumentiert, in der die „Propagandataktik“ der Israelis „beschrieben“ wurde. Die Äußerungen stellten eine Leugnung der Existenz der Gaskammern dar. Es müsse „befürchtet werden, dass gewaltbereite Antisemiten das Gedankengut als eine Art ,geistigen Brandbeschleuniger‘ aufgreifen“, urteilten die Richter damals. In der Berufung vor dem Landgericht Oldenburg erreichte Yavuz Özoguz, dass das Verfahren gegen Zahlung von 1.000 Euro eingestellt wurde.

Auf den Seiten des Muslim-Markts wird nicht nur der bislang insgesamt 4.180 palästinensischen Opfer der Intifada gedacht, sondern auch ausgiebig gegen den „Pseudostaat Israel“ gehetzt und zum Boykott von „zionistischen“ oder “antiislamischen“ Produkten wie AOL, Danone, Coca Cola oder der taz aufgerufen. Özoguz pocht auch hier auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Und betont, der Boykottaufruf gegen Israel sei nur wie der gegen „einen Staat wie Südafrika“ zu verstehen.