: Aus Tante Emma wird Onkel Ali
INTEGRATION Migrantische Unternehmer erhalten zu wenig Unterstützung, kritisieren die Grünen
Berlin soll im wirtschaftlichen Eigeninteresse Unternehmer mit Migrationshintergrund besser fördern. Das forderte Fraktionschef Volker Ratzmann am Mittwochabend auf einer Fachtagung seiner Fraktion mit Unternehmern und Kammern. „Die 40.000 UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund sind ein wichtiger Teil der Berliner Wirtschaft“, betonte er.
Die amtliche Statistik weist aus, dass Zuwanderer viel eher das Risiko der wirtschaftlichen Selbstständigkeit eingehen als Deutsche. Während 15 Prozent der erwerbstätigen Deutschen eine selbstständige Tätigkeit ausüben, seien das unter den Zugewanderten 22 Prozent. In den vergangenen beiden Jahren wurden ein Drittel der neuen Unternehmen in Berlin von einem Zuwanderer gegründet.
„Migranten gründen anders als Deutsche“, sagte Nihat Sorgec von der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, und fügte hinzu: „Sie gründen leider anders: nämlich aus dem Bauch heraus und ohne Businessplan.“ Pakize Schuchert-Güler von der Fachhochschule für Wirtschaft und Recht untermauerte diese Behauptung mit Ergebnissen einer Studie über migrantische Unternehmer im Bezirk Mitte. Viele Unternehmen würden aus der Not heraus und mit einer dünnen Finanzdecke gegründet, denn Zuwanderer haben schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt. Gerade Unternehmer der ersten Generation würden oft nicht über die bildungsmäßigen Voraussetzungen verfügen, die für ihr Unternehmen sinnvoll seien.
Dennoch erfüllten Unternehmen mit Migrationshintergrund wichtige Aufgaben in der Stadt, so Schuchert-Güler. Sie bedienten eine Nische, indem sie etwa Zuwanderer mit russischen, türkischen oder italienischen Lebensmitteln und chinesischen Möbeln bedienen. Und sie garantierten die Nahversorgung im Kiez. „Tante Emma gibt es ja nicht mehr. Stattdessen gibt es Onkel Ali“, sagte Schuchert-Güler.
Im Bezirk Mitte haben der Studie zufolge zwei Drittel der migrantischen Unternehmer keinen Businessplan. 76 Prozent verfügen nach eigenen Angaben über keinerlei Kenntnisse über Initiativen und Netzwerke im Kiez. Deutlich über die Hälfte kennen keine Fördermöglichkeiten und hätten keinerlei Kontakte zu anderen Unternehmen in der Nachbarschaft.
„Erschrocken hat mich, wie wenig migrantische Unternehmen Beratungsangebote nutzen“, sagte Schuchert-Güler. „An erster Stelle der Berater steht der Steuerberater. An zweiter Stelle steht die Familie. Alle anderen Angebote spielen praktisch keine Rolle.“ Fazit der Professorin: „Wir können migrantische Unternehmer am besten über die Steuerberater erreichen.“
Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Canan Bayram, kritisierte, dass die Informations- und Beratungsangebote bei den Bezirken und Kammern auf deutsche Männer ausgerichtet sind. „Sie erreichen Migranten oft nicht und haben auch keine Antworten auf ihre spezifischen Fragen.“ Deshalb müsse sofort an der gezielten Ansprache gearbeitet werden.
Um Migranten zu erreichen, wollen die Grünen ein Lotsenprogramm auflegen: Erfahrene Unternehmer sollen ehrenamtlich Anlaufpunkt für migrantische Unternehmen sein. Fortbildungsangebote für Unternehmer wie branchenspezifische Fach- und Deutschkenntnisse, Betriebswirtschaft und Marketing sollen mehrsprachig beworben werden. MARINA MAI