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Archiv-Artikel

Helgoland qualmt weiter zollfrei

Zwei Päckchen Zigaretten würden Butterfahrer ab 2007 steuerfrei von der Nordinsel mitnehmen können, wenn es nach den Plänen der EU geht. Der Bundesrat will diese Pläne zwar zur Kenntnis nehmen, aber nicht umsetzen

Die Raucher der Nation können durchatmen: Helgoland, die letzte Bastion der Butterfahrten, ist gerettet. Nicht der Blanke Hans zerrte an der Nordseeinsel, sondern eine Richtlinie aus Brüssel. Die Insulaner hatten die vergangenen Tagen gezittert, dass die Freigrenzen für den zollfreien Einkauf von Alkohol und Zigaretten gesenkt werden könnten – ein EU-Plan, den die Bundesregierung hätte umsetzen können.

Konkret hätte das bedeutet, dass Helgoland-Reisende ab 2007 statt bisher 200 nur noch 40 Zigaretten steuerfrei in den Lädchen in Ober- und Unterland hätten einkaufen können. Das wäre ein harter Schlag für die Insel gewesen: Bürgermeister Frank Botter berechnete, dass rund 2,3 Millionen Euro jährlich in der Gemeindekasse fehlen würden. Denn auf jede Stange Zigaretten erhebt die Gemeinde eine Einfuhrsteuer, die in ihrer Kasse bleibt. Zurzeit werden jährlich 42 Millionen Zigaretten auf der Insel verkauft.

Gestern folgte die Entwarnung: Schleswig-Holsteins Europaminister Uwe Döring (SPD) teilte mit, dass Deutschland den EU-Plan nicht umsetzen werde. Ministeriumssprecher Herbert Schnelle sagte auf Anfrage: „Wir haben da mal vorgefühlt: Der Bundesrat wird ihn nur zur Kenntnis nehmen.“ Nicht zum Wohle der Raucher und Trinker, sondern aus rein finanziellen Erwägungen: Denn eine Neuregelung würde aus der heute wohlhabenden 1400-Gemeinde Helgoland eine bedürftige Kommune machen: „Die Insel wäre dann abhängig von anderen Töpfen“, bestätigte Schnelle. Vom alten Image des „Fuselfelsens“ ist Helgoland inzwischen dennoch weit entfernt, sagt der Chef der Kurverwaltung, Christian Lackner: „Nur 15 Prozent der Gäste kommen wegen des zollfreien Einkaufs. Allerdings nehmen 85 Prozent auf dem Rückweg zum Schiff etwas mit. Aber Fusel gibt es bei Aldi billiger.“ Die Inselhändler setzen auf hochpreisige Spirituosen: „Wir haben 850 Whiskysorten“, sagt Lackner stolz. Für viele Touristen – immerhin 400.000 Tagesgäste kommen jährlich – bedeute die Fahrt nach Helgoland eine kleine Kreuzfahrt, sagt der Kurdirektor. Und bei Befragungen nennen die meisten die Natur als wichtigsten Reisegrund: Lumensprung statt Lungenzug also.

„Aber wenn der zollfreie Einkauf wegfiele, würden wir es deutlich merken“, meint Lackner: Die Zahl der Tagesgäste würde sinken, damit wohl auch die Zahl der Schiffe, die Helgoland ansteuern. Da die meisten Insulaner vom Tourismus und dem Verkauf leben, würden dann viele wegziehen. Aber nun ist die Gefahr ja abgewendet, und Helgoland kann sich der Saison zuwenden. Ab morgen (18.) fährt die „MS Lady“ täglich von Büsum auf die Insel. An Bord: Raucher. Und Allergiker. Denn das windgebadete Helgoland ist ein Paradies für alle, die reine Luft atmen wollen. ESTHER GEIßLINGER