leserinnenbriefe :
Wer hat den Druck initiiert?
■ betr.: „Israelkritik. Lehren aus dem Holocaust“, taz vom 18. 3. 10
„Wer Israel dämonisiert, spielt damit nur Antisemiten in die Hände“, schreibt Alexander Hasgall. Wieso wird Israel dämonisiert, wenn man seine Politik kritisiert, die zurzeit rücksichtsloses Bekennen zu Friedensunwilligkeit ist und die Gefahr eines neuen Nahostkrieges bedeuten kann? Was sind das für politische Freunde Israels, die diese gefährliche Siedlungspolitik nicht kritisieren? Wenn ein seriöser und namhafter Wissenschaftler wie Ilan Pappe in Israel kaum wahrgenommen wird, spricht das nicht gegen ihn. Natürlich ist die permanent nötige Bekämpfung von Antisemitismus nicht leichter geworden. Von der Heinrich-Böll- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist Norman Finkelstein als Vortragender kürzlich wieder ausgeladen worden. „Auf öffentlichen Druck hin“, schreibt Herr Hasgall. Wer hat den Druck initiiert? Leute, die Kritik an der israelischen Politik mit Antisemitismus gleichsetzen? ERIKA GODEHART, Hannover
Bitte die Realität beachten
■ betr.: „Die Anwältin der Opfer“, „Runder Tisch gegen Missbrauch“, taz vom 25. 3. 10
Bitte beachten Sie die Realität, Frau Bergmann!
Was ist das für eine Debatte, die derzeit über sexuelle Gewalt an Kindern geführt wird? Die Medien bringen eine Nachricht nach der anderen, die katholische Kirche wird mit dem Rücken an die Wand gestellt – und was passiert? Wieder schafft die Öffentlichkeit den Sprung nicht, das Tabu zu brechen und zu sehen, was längst überfällig ist.
Sexuelle Gewalt an Kindern gehört zum Alltag. Nicht primär in der katholischen Kirche. Nicht vorrangig in Schulen und Institutionen. Auch. Vor allem aber in Familien. Die Zahlen sind seit Jahren bekannt. Betroffene melden sich seit Jahren zu Wort. Wahrgenommen werden sie nicht. Im Gegenteil. Den zuständigen Anlauf- und Beratungsstellen werden die Mittel gekürzt.
Wahrgenommen wird dieses Verbrechen erst, sobald es einfacher erscheint, es von sich fernzuhalten. Die katholische Kirche? Hach ja – Zölibat … vollkommen veraltete Gesetze … dicke Mauern … Was ist das für eine Verdrehung der Tatsachen?
Selbstverständlich steht den Opfern sexueller Gewalt in Institutionen eine öffentliche Aufarbeitung zu. Eine Entschädigung. Ein Trauern. Ich will hier nichts kleinreden. Alles andere als das. Aber, und das ist mein Wunsch zum einen an die Medien, zum anderen an Sie, Frau Bergmann, verlieren Sie über diese wichtige Arbeit nicht die Realität aus den Augen! Nutzen Sie die derzeitig aufkeimende Wahrheit als Chance, um das Thema sexueller Missbrauch endlich zu enttabuisieren und den Opfern wirklich beiseitezustehen. Uneingeschränkt und vor allem allen! Name und Anschrift sind der Red. bekannt
Die Überschriften sind unmöglich
■ betr.: „Linke Gewalt im Kommen“, „Linke schlagen Rechte“,taz vom 24. 3. 10
Zwei vernünftige Artikel, deren Überschriften nahezu das Gegenteil vom Text aussagen. Ich frage mich nicht zum ersten Mal: Wer macht bei der taz die Überschriften? Warum war die Hauptüberschrift auf Seite eins nicht der Satz von Uwe-Karsten Heye: „Seit der Wende gab es mehr als 140 Todesopfer rechter Gewalt. Ich kann mich an keinen einzigen Toten durch linke Gewalt erinnern.“ Das hätte den Texten entsprochen.
taz-Journalisten, die selbst auf Demos waren, wissen, was anschließend häufig von der Polizei als „linke Gewalt“ bezeichnet wird. Es geht bestimmt nicht darum, irgendwelche Gewalt zu entschuldigen, aber diese beiden Überschriften sind unmöglich. Sie unterstützen die primitivste Propaganda gegen alles Linke, was die Texte ja genau nicht tun. FRIEDERIKE BERKING, Heidesee
„Sachzwänge“ reaktiviert
■ betr.: „Liebe zum Nein ist kein Parteiprogramm“, Kommentar von Stefan Reinecke, taz vom 20. 3. 10
Wie eine zwanghaft-kreative Werbeagentur fordert Reinecke von der Linkspartei „vorwärtsweisende“ Ideen – für ihn offenbar die möglichst peppige Affirmation gesellschaftlicher Gegenreformen. Mitmachen ist modern, Neinsagen uncool und rückwärtsgewandt. Bezeichnend, dass Reinecke mit der Demografie einen der wirkmächtigsten „Sachzwänge“ reaktiviert.
Dabei haben Ver.di und andere den neoliberalen Methusalem-Mythos schon lange entlarvt, und sogar die Financial Times Deutschland weiß, dass die Produktivität stärker steigt als die „Überalterung“. JOHANNES F. PETERS, Freiburg