: Alles für den Euro
In Spanien verordnet die Politik dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine drastische Sparkur. Doch die Schulden des Senderverbunds sind vor allem durch Mauscheleien der Regierung entstanden
AUS MADRID REINER WANDLER
Dass eine Sanierung Not tut, das war beim spanischen Staatsrundfunk RTVE allen klar. Doch was jetzt kommen soll, das hat keiner erwartet. Die staatliche Industrie-Holding SEPI, der die Anstalt unterstellt ist, hat einen Plan. Die Belegschaft soll in den kommenden zwei Jahren von bisher 9.200 auf 4.855 Mitarbeiter zusammengekürzt werden. Das ist ein Stellenabbau von 39 Prozent der verbeamteten Fernsehmacher und 44 Prozent der Angestellten und künstlerischen Mitarbeiter.
Der Stellenabbau soll so weit wie möglich durch eine Vorruhestandsregelung und durch Abfindungen für diejenigen, die freiwillig kündigen, erreicht werden. Die Begründung für den harten Eingriff: RTVE steht mit 7,6 Milliarden Euro in der Kreide. Jahr für Jahr kommen weitere 600 Millionen hinzu. Alleine für die Zinsen fallen zwischen 155 und 200 Millionen an.
„Die Schulden sind politisch gemacht“, beschwert sich der Sprecher des Betriebsrats Marcel Camacho, der den Stellenabbau nicht kampflos hinnehmen will. Camacho verweist auf das eigenwillige Finanzkonzept, das bei RTVE seit 20 Jahren angewandt wird. Zwar steht in der Gesetzgebung, dass die Anstalt neben den Werbeeinnahmen aus dem Staatshaushalt finanziert wird, doch statt die Subventionen auszuzahlen, wurden RTVE ständig neue Schulden genehmigt. Die roten Zahlen addierten sich bei RTVE, ohne den Staatshaushalt zu belasten.
„Damit wurde das Haushaltsdefizit gesenkt, um die Maastrichter Kriterien für die Einführung des Euros zu erfüllen“, sagt Camacho. Vor zwei Jahren kam Brüssel den Spaniern auf die Schliche und schob dem Ganzen einen Riegel vor. Dieses Jahr sind im Staatshaushalt 575 Millionen Euro für RTVE vorgesehen.
Das Geld sei eine einmalige Zahlung, so die Regierung, und ist an die Bedingung gebunden, die Anstalt „gesundzuschrumpfen“. Was die Regierung verschweigt: Rechnet man die Schulden von RTVE um, beläuft sich dies nicht einmal auf ein Sechstel dessen, was zum Beispiel die Deutschen oder die Briten im gleichen Zeitraum mittels Rundfunkgebühren für ihre öffentlichen Anstalten aufgebracht haben.
Eine bessere Finanzierung für RTVE ist auch künftig nicht in Sicht. Zwar wurde im eigens von der Regierung eingesetzten „Komitee der Weisen“, das die Reformen für ein qualitativ besseres öffentliches Fernsehen ausarbeiten soll, auch über die Einführung von Rundfunkgebühren debattiert. Doch eines ist sicher: Die Regierung wird sich daran nicht trauen – Gebühren gelten als viel zu unpopulär.
„Der Personalabbau wird dazu führen, dass wir kaum noch selbst Programme produzieren können“, ist sich Camacho sicher. In den letzten Jahren war die Qualität der Programme in der Fernsehsparte TVE merklich gesunken. Um mit den Privaten auf dem Werbemarkt zu konkurrieren, nahm auch beim öffentlichen Sender Trash-Fernsehen – Realityshows, Herz-Schmerz-Programme, etc. – zu. TVE möchte jetzt aus diesem Teufelskreis aussteigen. „Wir können nicht mitbieten bei einem Konkurrenzkampf, in dem versucht wird, die Inhalte des anderen noch zu unterbieten“, erklärt die TVE-Direktorin Direktorin Carmen Caffarel. Für die Professorin der Medien- und Kommunikationswissenschaften muss das öffentliche Fernsehen wieder zum „Paradigma für Qualität, Pluralität, kultureller Vielfalt“ werden.
Erste Ansätze sind zu sehen. Doch es kam, wie es kommen musste: Die Zuschauerzahlen gehen zurück. Und damit wird die Kritik am „Wasserkopf“ RTVE noch lauter. „Einige Medien analysieren dies mit ziemlich viel Frivolität. Zum einen verlangen sie von uns Qualität bei den Programminhalten. Wenn steigende Qualität zumindest am Anfang eine negative Auswirkung auf die Zuschauerzahlen hat, beschuldigen sie uns, dass wir nicht mehr Marktführer sind“, verteidigt sich Caffarel verzweifelt.
4.855 verbleibende Mitarbeiter klingt deshalb in den Ohren vieler Kritiker immer noch nach einer hohen Zahl. Doch RTVE ist ein Riesenkonzern. Neben TVE 1 und La 2 unterhält der Sender zwei internationale Kanäle, den Sender 24 horas, der über Satellit rund um die Uhr Nachrichten auf Spanisch in alle Welt sendet, sowie vier Themenkanäle. Hinzu kommen die sechs Radioprogramme von RNE. Außerdem unterhält RTVE ein Orchester, ein Ballett und einen Chor. Das alles verursacht Kosten, die die Privaten alle scheuen.
Von dem Kahlschlag, der nun ansteht, sollen vor allem die Regionalniederlassungen betroffen sein. Außerdem soll es künftig weniger Kino, weniger Serien und weniger Sport geben. Nachrichtensendungen und Kinderprogramme sollen im Gegenzug ausgebaut werden. „Beschränkung auf das Wesentliche eines öffentlichen Fernsehens“ nennen die Verantwortlichen diese Politik. „Damit geht unsere Zuschauerquote endgültig in den Keller“, mutmaßt Camacho.
Die beiden Sender von TVE liegen zusammen bei um die 22 Prozent. Die beiden großen Privatsender, Antena 3 und TeleCinco, liegen gleich auf. Jedes Prozent, das TVE verliert, bedeutet ein Mehr an Werbeeinnahmen für die Privaten. Deshalb sind sich auch alle großen Tageszeitungen einig, wenn es ums Abspecken bei RTVE geht. Denn die meisten von ihnen sind mit Privatsendern verbunden oder haben Projekte für das künftige terrestrische Digitalfernsehen.