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Archiv-Artikel

JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN Bist du kollektiv oder was?!

Wenn ich einmal groß bin, will ich ein Zwerg sein und zusammen mit anderen Zwergen Kinderträume leben

Heut war ich wieder bei meinem Career Service der Uni. Ich wurde getunt. Geboostet. Immer flexibilisierter und tipptopp vorbereitet mit Time Management Skills. Ich genieße die Vorteile einer Welt, in der ich von allen Seiten Rat bekomme, um persönlich optimiert zu werden. Ich und nur ich allein kann meinen eigenen Weg finden, solange ich nur daran glaube!

Mein Kindheitstraum zerbröselt … was ist mit all den Geschichten von Zwergen und Trollen, die durch dick und dünn gehen, vereint unterm Weihnachtsbaum Kuchen essen und sich gegenseitig die Vanillesoße in die Münder schaufeln? Alle rund und lieb und ganz ohne zu wissen, was sie da eigentlich wollen. Plötzlich sehe ich mich mit meinem Diplom in der Hand, zusammengefaltet zu einem Ritterschwert, und muss losrennen, um den Löwen zu bezwingen. Und ich muss es auch noch wollen!

Ich will nicht alleine Karriere machen, ich will das mit allen Zwergen zusammen machen! Ein Zwergenkollektiv! Einen gemeinsamen Lebenslauf, wo auch mein Fahrrad, meine Familie, meine Freunde und gern auch der Löwe draufstehen. Alles vollgekleckert mit Vanillesoße.

Ja! Ich will mein „Ich“ zu einem „Wir“ tunen. Und ich glaube daran. Hopp! Die vom Career Service haben recht. Ich geh das jetzt entschlossen an. Bei yahoo.answers.de frage ich: „Was braucht man, um ein Kollektiv zu gründen?“ Mein Erläuterungstext ist, ob es erst mal ein Ort in der Natur sein sollte, damit nicht zu viel Enge entsteht. Oder ökologische Nachhaltigkeit? Rotierende Positionen? Mehrgenerationen- und Schichtenzugehörigkeit?

Ich finde das ziemlich gut durchdacht und stelle mich vorm Schlafengehen unter meine Schulterklopfmaschine. Als ich am nächsten Tag den Computer aufmache, gespannt auf die Lösung aus der kollektiven Welt des Internets, flimmert endlich die erste Antwort auf dem Bildschirm. „KollektivistInnen“.

Nun gut. Doch wie ich an diese KollektivistInnen komme, ist nicht klar. Aber das war es sicher noch nie, und alle Gemeinschaften, die entstanden sind und nicht auf Profit oder Kernfamilie basieren, haben ihre eigene Geschichte. Es können Flüchtlinge sein, die gezwungenermaßen zusammenlebten und sich aufeinander einlassen mussten. Oder Menschen mit Kompostblumen im Haar und verfilzten Schamhaaren, die von freier Liebe sprechen und beim Kacken das Klo bewusst offen lassen. Es kann sehr vieles sein, und sicher hat es auch oft nicht geklappt.

Doch einen Versuch ist es wert, und anstatt weiter allein in meinem Zimmer zu hocken, geh ich erst mal raus und trink mit Freunden Kaffee. Vielleicht haben sie ja Lust, sich heute für mich als Zwerge zu verkleiden.

Der Autor ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire