: Raum und Zeit
Jochem Paap alias Speedy J ist das, was man eine Techno-Legende nennt. Mit seinem Klassiker „Pullover“ schuf er 1991 einen der ersten internationalen Techno-Hits. Bis heute produziert der Rotterdamer Platten für den Club, betrachtet elektronische Musik aber gleichermaßen als Versuchsraum für neue Ideen.
Diesen Ansatz teilt der Tanzflächen-Pionier mit dem italienischen Musiker Luca Mortellaro alias Lucy. Der Wahlberliner und Gründer des Labels Stroboscopic Artefacts zählt zu den Erneuerern von Techno in Zeiten schwindenden öffentlichen Interesses an dieser letzten großen Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts. Es ist daher nur folgerichtig, dass sich Lucy mit Speedy J, einem seiner musikalischen Vorbilder, zusammentat, um gemeinsam im Studio zu experimentieren.
Das Ergebnis kann man auf ihrem unter dem Namen „Zeitgeber“ veröffentlichten Album nachhören. Was Zeitgeber geschaffen haben, ist Maschinenmusik im schönsten Sinne: mechanisch, abstrakt und eigenen Gesetzen gehorchend. Mit feinem Gespür für die Gestaltung schroffer Frequenzen lassen sie eine leicht dunkel brodelnde Welt entstehen. Die Vorgaben der Tanzbarkeit ignorierte man konsequent, ohne in die Falle eines unverbindlichen Klangflächen-Einerleis zu tappen. Man könnte fast meinen, der Futurismus der frühen Tage des Techno werde bei Zeitgeber um einige Facetten in düsterstem Metallgrau ergänzt.
Etwas freundlichere Farben wählten Juan Atkins und Moritz von Oswald für „Borderland“, ihr erstes Album zu zweit. Atkins ist eine Detroiter Techno-Ikone der ersten Generation und gilt als der Erfinder von Techno. Moritz von Oswald aus Berlin ist ebenfalls als Techno-Pionier in die Geschichte eingegangen, gemeinsam mit Mark Ernestus trug er entscheidend zur minimalistischen Reduktion von Techno in den Neunzigern bei.
Ein Gipfeltreffen wie das von Aktins und von Oswald weckt höchste Erwartungen. „Borderland“ wird dem allerdings nur zum Teil gerecht. Sehr entspannt geht es in dieser Begegnung zu, die für von Oswald-typischen Dub-Effekte docken mühelos an den trockenen Funk der Beats von Atkins an. So öffnet sich hier und da ein Raum, in dem sich die Klänge ihren Platz suchen und dem Hörer Platz für die eigene Fantasie lassen. An anderer Stelle aber verliert sich diese Offenheit im Ungefähren und Unentschlossenen. TIM CASPAR BOEHME
■ Zeitgeber: „Zeitgeber“ (Stroboscopic Artefacts/Alive) ■ Juan Atkins & Moritz von Oswald: „Borderland“ (Tresor/Rough Trade)