: Nebenjob über Parteigrenzen hinweg
MEDIEN-TRAINING Der suspendierte NDR-Redakteur Gerd Rapior hat nicht nur die schleswig-holsteinische CDU trainiert. Mindestens drei Sozialdemokraten wurden ebenfalls von dem Journalisten gecoacht
Der suspendierte NDR-Redakteur Gerd Rapior soll nicht nur CDU-Politiker, sondern auch Parteimitglieder der SPD gecoacht haben. Das berichten die Lübecker Nachrichten. Demnach soll der Journalist dem ehemaligen Felmer SPD-Bürgermeister Walter Selle sowie zwei weiteren Sozialdemokraten Interview-Training gegeben haben. Der schleswig-holsteinischen SPD zufolge haben aber Landesverband und Landtagsfraktion Rapior nicht als Medien-Coach engagiert.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass der heutige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen (CDU) für mehr als 10.000 Euro von Rapior trainiert worden war. Der CDU-Landesgeschäftsführer Daniel Günther verteidigte die umstrittenen Coachings. „Ein Problem hätte ich gesehen, wenn es um eine Medienstrategie-Beratung gegangen wäre“, sagte Günther. Stattdessen habe Rapior unter anderem ihm und Carstensen gezeigt, wie man am besten vor der Kamera auftritt.
Das erste Training mit dem Journalisten hatte CDU-Chef Carstensen im Mai 2004, als er bereits Spitzenkandidat für die Landtagswahl war. Rapior sei vergleichsweise günstig gewesen, sagte Günther. Der Redakteur sei „erpicht“ darauf gewesen, die Schulungen möglichst häufig durchzuführen. Im April 2008 war das letzte Coaching, und zwar für CDU-Fraktionssprecher Dirk Hundertmark.
Die Trainingseinheiten kosteten knapp 12.000 Euro, etwa die Hälfte zahlte die Landtagsfraktion. Finanzminister Rainer Wiegard und Klaus Schlie, heute Innenminister, zahlten die Stunden privat. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, kritisierte die Coachings: „Die Grenze zwischen unabhängigem Journalismus und politischer Gefälligkeit ist zumindest billigend in Kauf nehmend überschritten worden.“
Gegen Gerd Rapior ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Den Vorwurf hat der Journalist jedoch zurückgewiesen. (taz)