Länderchefs wollen Käfig-Ei behalten

Mit der Vogelgrippe kommt die Legebatterie wieder in Mode. Drei Bundesländer wollen das Käfigverbot, das ab 2007 gilt, kippen. Dabei wächst die Nachfrage nach Freiland-Eiern. Aldi und McDonald’s haben das Käfig-Ei längst verbannt

„Die deutschen Hühnerbarone ignorieren die Nachfrage“

VON HANNA GERSMANN

Der Verbraucher will es nicht, Tierschützer empört es, der Gesetzgeber hat es bereits verdammt: das Käfig-Ei. Und doch soll es zurückkehren. Das werden die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen am Montag dem Agrarausschuss des Bundesrates vorschlagen.

„Die Fürsprecher der Geflügelindustrie wollen die Käfige im Zuge der Vogelgrippe salonfähig machen“, kritisierte gestern die grüne Agrarexpertin Bärbel Höhn. Vier Millionen deutsche Freilandhennen haben derzeit Arrest. Ökohühner stehen unter Grippeverdacht. Wer sein Huhn in der Batterie hält, ist fein raus.

Dabei ist die Käfighaltung hierzulande ab nächstem Jahr verboten. Die Drahtfächer, die jedem Huhn mit 550 Quadratzentimeter weniger Fläche als ein DIN-A 4-Blatt bieten, widersprechen dem Tierschutzgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1999 entschieden. Hühner wollen im Sand baden, flattern und picken. Auch die EU verbietet die konventionelle Haltung, allerdings erst ab 2012.

Diese Frist hielt die damalige Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) für zu lang. Deshalb setzte sie 2002 eine Verordnung durch, nach der Hühner schon fünf Jahre früher Platz bekommen: Ab 2007 sollen sich nur noch 9 Tiere einen Quadratmeter teilen, ihre Appartements 2 Meter hoch sein. Zum Vergleich: Eine Hühnerfabrik ist im Schnitt 2,70 Meter hoch. Hennen wie bisher zu stapeln ginge nicht mehr – wenn das beschlossene Gesetz eingehalten wird. Die Eierfabrikanten nahe Güstrow, Cloppenburg oder Münster wollen sich damit aber nicht abfinden. Sie wissen die Landeschefs aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hinter sich.

Politiker von CDU, FDP und SPD torpedieren immer wieder das Künast’sche Käfigverbot. Im Oktober 2004 wurde zwar der Osnabrücker Hühnerfrieden geschlossen: Alle Beteiligten versprachen, nochmal neu nachzudenken. Auch Ministerin Künast. Doch dann präsentierte sie als Alternative für den 2 Meter hohen Käfig die so genannte „Schrader-Villa“ – und der Streit begann von vorn.

In der Villa, benannt nach ihrem Erfinder Lars Schrader vom Tierschutzinstitut der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, hat das Huhn doppelt so viel Platz wie in der Legebatterie und kann flattern. Die Fächer sind 1,20 Meter hoch und doppelstöckig: Oben ruht sich das Federvieh aus, unten scharrt es im Sand. Schrader hält seinen „Prototyp für einen Kompromiss“, die Geflügellobby nicht.

Sie will einen kleineren, den „ausgestalteten Käfig“: Jedes Huhn bekommt darin eine Postkartengröße mehr Platz als in der Batterie. Sand und Ruhestange inklusive. Zu eng? „Nur rechnerisch“, sagt Lutz Scherling, Bundesratsreferent im Agrarministerium Mecklenburg-Vorpommerns. „De facto sitzen die Hennen nicht alle gleichzeitig auf dem Boden.“

Das sehen seine Länderkollegen ähnlich. Deshalb gilt als sicher, dass die Kleinvoliere jetzt in Mode kommt – und sie zunächst der Agrarausschuss des Bundesrates, am 7. April dann das Plenum genehmigt.

„Die Kleinvoliere ist rechtswidrig“, ärgert sich Wolfgang Apel vom Deutschen Tierschutzbund. Sie entspreche nicht der artgerechten Haltung, die das Bundesverfassungsgericht forderte. „Käfig bleibt Käfig.“

Undine Kurth, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen meint: „Die Hühnerbarone ignorieren die Nachfrage.“ 35 Prozent aller Freiland-Eier müssten derzeit importiert werden, vor allem aus den Niederlanden. Zwar rühren die großen Lebensmittelproduzenten noch Käfigeier in Nudeln und Fertigkuchen. Andere aber meiden das Käfig-Ei: Aldi-Nord und McDonald’s haben es bereits aussortiert.

Bleibt eine Unbekannte: Horst Seehofer (CSU). „Entschieden ist nichts“, sagte gestern seine Sprecherin. Da es sich um eine Verordnung handelt, ist allein die Regierung verantwortlich. Der Bundesagrarminister kann eine Idee der Länderkammer annehmen – oder auch nicht.

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