: Kongo: So tun, als ob
AUS BERLIN DOMINIC JOHNSON
Die Planungen für eine EU-Militärintervention in der Demokratischen Republik Kongo zur Absicherung der geplanten Wahlen im Juni treten in ihre entscheidende Phase. Am Donnerstag informierten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) die Bundestagsausschüsse für Außenpolitik und Verteidigung in einer gemeinsamen Sitzung. Am Montag sollen bei einem Arbeitstreffen der interventionswilligen EU-Staaten Einzelheiten geklärt werden. Morgen wird EU-Chefaußenpolitiker Javier Solana in Kongos Hauptstadt Kinshasa als Formalie eine Stippvisite ablegen.
Die neuen Pläne stellen ein Zurückrudern Deutschlands dar – gegenüber einer verstärkten Rolle Frankreichs. So sollen in Kinshasa allein französische Militärs sichtbar sein, während vorher von einer Bundeswehrpräsenz am Flughafen die Rede gewesen war. Jung stellte den Bundestagsausschüssen nach Auskunft von Teilnehmern folgendes Modell vor: 250 Kampftruppen aus Frankreich gehen nach Kinshasa und stellen dort auch das operative Hauptquartier. Der deutsche Beitrag in Kinshasa beschränkt sich auf 20 Stabsoffiziere und 80 Fernmeldetechniker. Dazu kommen 100 deutsche Fallschirmjäger in Gabuns Hauptstadt Libreville und bis zu 300 weitere deutsche Soldaten auf dem Kriegsschiff „Berlin“ vor Kongos Küste.
Die deutschen Soldaten außerhalb des Kongo sollen sich für Evakuierungen von Ausländern in Kinshasa bereithalten. Die Franzosen sollen die bestehende UN-Mission (Monuc) unterstützen. Kontingente aus anderen EU-Ländern – insgesamt 500 Soldaten der insgesamt 1.500 – stehen am Flughafen von Kinshasa sowie im strategischen Hauptquartier der Operation in Potsdam. Die Rede ist von je 100 Soldaten aus Spanien und Portugal sowie von je 40 aus Schweden und Belgien; auch Finnland, Griechenland, Italien, Österreich und Ungarn hätten Bereitschaft zur Teilnahme signalisiert.
Die Aktion habe zwei Ziele: die Stabilisierung der Lage im Kongo sowie die Demonstration der Handlungsfähigkeit der EU. „Es geht nicht, dass sich ganz Europa in die Büsche schlägt“, soll ein Abgeordneter gesagt haben. Unmut soll darüber geäußert worden sein, dass über ein so komplexes Thema gerade mal eine Stunde lang geredet werden konnte.
Wann der für eine Truppenentsendung erforderliche Bundestagsbeschluss zustande kommt, ist derzeit noch offen. Der Bundestag tritt im April nur zwei Wochen lang zusammen, in der ersten Monatshälfte, und die erste Woche davon ist für Haushaltsberatungen reserviert. Doch angesichts des Umstandes, dass die Ausrüstung einer Truppe per Schiff nach Afrika gebracht werden soll, muss eine Entscheidung vor Ostern fallen, damit die Truppe noch vor dem anvisierten Wahltermin am 18. Juni im Kongo eintrifft. Oder der Wahltermin wird verschoben. Dies ist abzusehen, denn bis gestern früh hatte sich erst ein einziger Präsidentschaftskandidat bei der Wahlkommission in Kinshasa angemeldet, der christdemokratische Exbergbauminister Eugène Diomi Ndongala, und kommenden Donnerstag läuft die Anmeldefrist ab.
Vor einem Bundestagsbeschluss müssen die Pläne nach Ansicht von Abgeordneten aller Fraktionen noch ausreifen. „Im Moment ist das noch nicht zustimmungsfähig“, sagte Winfried Nachtwei (Grüne) der taz. In einem Papier, das der taz vorliegt, warnt Nachtwei unter anderem vor dem „Risiko einer Antieuropäerkoalition“ in Kinshasa: „Was ist, wenn das Abschreckungssignal in der Vielmillionenstadt nicht funktioniert? Welche Art von Durchsetzungsfähigkeit ist mit dem in Aussicht stehenden Kräfteeinsatz überhaupt zu schaffen?“