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Archiv-Artikel

Eine Klage gegen den teuren Schein

68-Jährige verlangt Kirchensteuer zurück. Denn Katholisch sei sie nur geworden, um den Familienfrieden zu wahren

Man mag das Klischee kaum bedienen, aber in diesem Fall ist tatsächlich die Schwiegermutter schuld. Es waren die 70er Jahre, man lebte auf einem niedersächsischen Dorf. Hier waren nicht nur die Fenster geputzt, auch innerhalb der Familie musste alles tipptopp sein. Da passte es nicht, dass sich jemand mit der falschen Konfession in eine Familie einheiratet. Also wurde Heide S.* 1970 von den künftigen Schwiegereltern vor die Wahl gestellt: Entweder du verzichtest auf die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche, oder auf unseren Sohn. Heide S. entschied sich, lieber zu den Katholiken zu konvertieren. Heute, über dreißig Jahre später, ist sie vom Gatten wieder geschieden und bekennt: Eine wahre Katholikin war ich nie. Deshalb verlangt sie die geleistete Kirchensteuer zurück. Heute verhandelt das Verwaltungsgericht Osnabrück über den Fall.

„Sie wollte nach außen hin den Schein wahren“, erklärt ihr Anwalt Hans-Peter Schmid aus Lingen, wieso seine Mandantin 30 Jahre anstandslos die Kirchensteuer abgeführt hat. Denn heute sagt die 68-Jährige, sie habe der katholischen Kirche nie wirklich angehört. Zwar ist sie 1970 aus der evangelischen Kirche ausgetreten und hat Konvertitenunterricht genommen. Endgültig vollzogen habe sie die Konversion hingegen nie – trotz kirchlicher Heirat und späterer Taufe ihrer Kinder.

Im Prozess wird die Frage zu klären sein, wer wahrer Katholik ist und wer nicht. Nach katholischem Kirchenrecht muss sich ein Konvertit nach dem Austritt aus seiner früheren Glaubensgemeinschaft bei einem katholischen Priester melden. Der bittet dann einen Bischof um die Erlaubnis, den Erleuchteten in die Glaubensgemeinschaft aufzunehmen. Vollzogen wird der Akt dann in einer liturgischen Feier – und hier liegt der Kern des Problems. Denn ob Heide S. an einer solchen im streng kirchenrechtlichen Sinne teilgenommen hat, erklärt Gerichtssprecher Michael Mädler, „ist nicht ganz klar“.

Heide S. sagt: Nein. Das Bistum Osnabrück erwidert, so oder so, zumindest habe Heide S. über die regelmäßige Zahlung der Kirchensteuer den „Rechtsschein der Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche gesetzt“. Davon lösen könne sie sich nur durch eine förmliche Austrittserklärung, und eine solche habe Heide S. erst im Februar 2005 abgegeben.

Wie auch immer das Verfahren ausgehen wird: Sehr teuer wird es für keine der beiden Seiten. Steuerzahlungen für die vergangenen 30 Jahre sind längst verjährt. Einzig für das Jahr 2003 kann Heide S. ihr Geld zurückverlangen – wenn überhaupt.

Nicht nur Heide S. wird gegen den eigenen Willen als gläubig geführt. Vor allem BewohnerInnen der früheren DDR ziehen derzeit vermehrt bundesweit vor Gericht, um sich dort zur Ungläubigkeit zu bekennen. Denn in der DDR war der Kirchenaustritt so unbürokratisch, dass viele ihn nicht mehr per Dokument nachweisen können – und zur Kasse gebeten werden. Allein in Berlin gibt es rund 3.600 derartige Fälle pro Jahr. Elke Spanner