: TÜV-Süd vom Dienst suspendiert
KLIMASCHUTZ Die Vereinten Nationen werfen dem weltweit zweitgrößten Prüfer von Klimaprojekten zweifelhafte Bewertungen und schlechte Ausbildung der Mitarbeiter vor
VON NADINE MICHEL
Nach wiederholter Kritik an einem wichtigen Instrument des Klimaschutzes haben die Vereinten Nationen (UN) jetzt einen der größten Prüfer dieser Klimaprojekte ausgeschlossen: Der TÜV-Süd darf vorerst keine sogenannten CDM-Projekte mehr bewerten und zertifizieren. Dies hat der zuständige Exekutivrat der UN auf seiner Tagung in der vergangenen Woche in Bonn beschlossen.
Beim Clean Development Mechanism (CDM) können Investoren aus Industriestaaten Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern finanzieren. Die dort eingesparten Treibhausgas-Emissionen können sie sich dann anrechnen lassen und im Gegenzug im eigenen Land mehr ausstoßen, als sie eigentlich dürften. Die Anträge für solche Projekte werden von zugelassenen Gutachtern nach UN-Kriterien bewertet, danach entscheidet der CDM-Exekutivrat der Vereinten Nationen über die Genehmigung.
In mehreren Studien wurde immer wieder bemängelt, dass ein entscheidendes Kriterium für die Zulassung, die sogenannte Zusätzlichkeit, zu oft nicht erfüllt werde. Denn entscheidend ist bei CDM, ob ein Projekt in dem Entwicklungsland ohnehin umgesetzt würde oder erst durch die zusätzlichen Investitionen ermöglicht wird.
Auch im jetzigen Fall spielte die Zusätzlichkeit eine Rolle. Obwohl der TÜV-Süd Bedenken über die Zusätzlichkeit gehabt habe, habe er einige Projekte letztlich doch positiv bewertet.
„Wir nehmen die Kritik sehr ernst, sind allerdings über das harte Vorgehen enttäuscht“, sagt der zuständige Abteilungsleiter des TÜV-Süd, Sven Kolmetz. „Wir werden jetzt alle nötigen Schritte unternehmen, um die Suspendierung so schnell wie möglich wieder aufzuheben.“
Bereits zwei Gutachter waren in den vergangenen 15 Monaten suspendiert worden, innerhalb von einigen Monaten aber wieder zugelassen worden. Der TÜV-Süd ist die zweitgrößte Prüfstelle für CDM-Projekte. Innerhalb von sieben Jahren hat er mehr als 1.000 Projekte zertifiziert. In einer Stellungnahme kritisiert er, dass die Vorgaben für die Gutachter seitens der UN nicht klar genug gefasst seien.
Dies betreffe auch den zweiten Punkt, der von der UN bemängelt worden war: die mangelnde berufliche Erfahrung der Auditoren, die die Projekte prüfen. Der TÜV-Süd beklagt, dass der Exekutivrat nicht genau vorschreibe, wie viel Erfahrung jemand mitbringen müsse, um in einem bestimmten Bereich, etwa der Geothermie, eine Prüfung durchzuführen. Der TÜV-Süd habe deshalb eine dreimonatige Erfahrung zusätzlich zur Grundausbildung vorausgesetzt, was der UN zu wenig war.
„Dieser Fall zeigt erneut, dass es erhebliche Probleme mit dem Zertifizierungsprozess gibt“, sagt CDM-Experte Lambert Schneider, der im vergangenen Jahr am Öko-Institut die Arbeit der Gutachter in einer Studie genauer unter die Lupe genommen hatte. Seiner Meinung nach spricht der Exekutivrat der UN daher eine Suspendierung mit Sicherheit nicht leichtsinnig aus. „Der TÜV-Süd ist nicht das schwarze Schaf.“
Vielmehr sieht Schneider ein Grundproblem in dem Interessenskonflikt, den die Gutachter auszutragen hätten. Auf der einen Seite arbeiteten sie eigentlich für die UN und müssten die Regeln streng einhalten, um nicht ausgeschlossen zu werden. Auf der anderen Seite würden sie von den Projektentwicklern bezahlt, die sich wiederum keinen allzu peniblen Gutachter aussuchen würden.
Insgesamt wird die Entscheidung der UN positiv bewertet. Juliette de Granpre vom WWF sagt: „Es ist ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass dem Exekutivrat bewusst ist, dass gewisse Dinge nicht so funktionieren wie sie sollten.“ Und für alle anderen Gutachter sei dieser Schritt eine deutliche Warnung.
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