Europarat spricht von Wahlfarce

In Weißrussland wird Europas letzter Diktator Lukaschenko mit offiziell 82,6 Prozent wiedergewählt. Wahlen entsprechen laut OSZE nicht internationalen Standards, EU-Minister erwägen Sanktionen, GUS-Wahlbeobachter sind hingegen zufrieden

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Bei den Präsidentschaftswahlen in Weißrussland hat Amtsinhaber Alexander Lukaschenko nach offiziellen Angaben 82,6 Prozent der Stimmen bekommen. Herausforderer Alexander Milinkewitsch, der gemeinsame Kandidat der Opposition, kam mit 6 Prozent Zuspruch auf Platz zwei. Rund 5 Prozent erhielten zwei weitere Kandidaten.

Die Wahlbeteiligung soll laut Zentraler Wahlkommission (ZIK) bei stattlichen 92,6 Prozent gelegen haben. Deren Leiterin Lidia Jermoschina legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass bei der ZIK keine Beschwerden über die Stimmenauszählung eingegangen wären.

Anders sahen es die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie kritisierten gestern in Minsk, die Wahlen hätten nicht den erforderlichen internationalen Standards entsprochen. „Die Demokratie in Weißrussland steckt noch in den Anfängen“, sagte OSZE-Koordinatorin Alcee Hastings. Der Europarat wies die Wahl als „Farce“ zurück. „Was Weißrussland braucht, ist eine demokratische Evolution“, erklärte der Generalsekretär der Länderorganisation, Terry Davis, in Straßburg. Lukaschenkos Mandat sei „besudelt“. Sein Sieg sei „verdächtig hoch“. Das größte Problem sei aber nicht so sehr, dass das Regime möglicherweise an den Urnen betrogen haben könnte, sondern dass es im Wahlkampf geschwindelt habe.

Die EU-Außenminister sprachen sich nach Angaben eines Diplomaten gestern in Brüssel für ein strengeres Vorgehen gegen die weißrussische Regierung aus. Einzelheiten sollten in einem Monat beschlossen werden, wenn die EU den Bericht der OSZE-Wahlbeobachter ausgewertet hat. Laut EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sei an Ausdehnung des Einreiseverbots für einzelne Regierungsvertreter gedacht. Die Bevölkerung solle nicht getroffen werden.

Die Wahlbeobachter aus den GUS-Staaten hatten demgegenüber keine Verstöße beobachten können. Ihr Vorsitzender, der russische Exinnenminister Wladimir Ruschailo, nannte die Wahlen „frei, offen und transparent“. Die GUS-Beobachter forderten ihre OSZE-Kollegen auf, sich ihrer Bewertung anzuschließen.

Sich anständig zu verhalten, hatte auch Lukaschenko von den OSZE-Beobachtern verlangt: „Unsere verehrten Gäste, überschreiten Sie nicht Ihre Vollmachten, ziehen Sie ihre Schlüsse, aber entscheiden Sie nicht für uns.“ Milinkewitsch forderte „neue, ehrliche Wahlen“. Nach Schließung der Wahllokale am Sonntag hatten 10.000 Menschen trotz Versammlungsverbots in Minsk demonstriert. Es war die größte Demo seit Jahren.

Zuvor hatte Lukaschenko Demonstranten gedroht: „Wir werden ihnen das Genick brechen, wie bei einem Entenküken.“ Die Opposition ließ sich von Europas letztem Diktator nicht beeindrucken und skandierte im Schneetreiben: „Lang lebe Weißrussland!“ und „Milinkewitsch“. Der meinte, die Versammlung werde in die Geschichte eingehen, weil so viele Menschen trotz der „totalen Einschüchterung“ gekommen seien. Für gestern Abend rief die Opposition erneut zu einer Kundgebung auf.

In den Exsowjetrepubliken Georgien, Ukraine und Kirgisien hatten ähnliche Proteste nach Wahlmanipulationen zum Rücktritt oder Sturz der alten Machthaber geführt. In Weißrussland droht Lukaschenko indes noch keine Gefahr. Auch wenn die Wahlen nicht frei waren, bleibt der Exsowchosvorsitzende populärster Politiker der Republik. 50 Prozent der Stimmen hätte er wohl auch ohne Druck bekommen. Landbevölkerung, Militärs, Beamte und Pensionäre schätzen ihn, weil er so spricht und handelt, wie sie es wohl auch täten.

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