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Archiv-Artikel

Muslimbrüder bekommen einen Interimschef

ÄGYPTEN Der Prozess gegen führende Mitglieder der Organisation soll bereits am Sonntag beginnen

KAIRO/BERLIN afp/rtr/taz | Die Muslimbrüder in Ägypten haben wenige Stunden nach der Festnahme ihres Anführers Mohammed Badie dessen bisherigen Stellvertreter Mahmud Essat zum neuen Interimschef ernannt. Essat werde die Führungsfunktion „zeitlich befristet“ wahrnehmen, hieß es am Dienstag auf der Homepage der Muslimbrüder. Die Festnahme Badies wurde den „Kräften des blutigen Staatsstreichs“ zugeschrieben. Am 3. Juli hatte das Militär den aus den Reihen der Muslimbrüder stammenden Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt.

Mit der Festnahme Badies hat die Regierung ihren Druck auf die Islamisten weiter erhöht. Der 70-jährige Mohammed Badie sei am Dienstagmorgen in einer Wohnung im Nordosten Kairos aufgespürt und festgenommen worden, berichteten staatliche Medien. Badie wurde seit Wochen gesucht und im Juli wegen Anstiftung zum Mord an Demonstranten angeklagt. Er soll mit weiteren Anführern der Muslimbruderschaft am Sonntag vor Gericht gestellt werden.

In einer ersten Reaktion erklärten die Muslimbrüder, sie würden ihre Proteste fortsetzen. Seit dem Sturz Mursis wurden Hunderte ihrer Mitglieder festgenommen. Die Anklagen lauten auf Anstiftung zur Gewalt, versuchten Mord, Mord oder Terrorismus. Am Montag wurde die Festnahme von 260 Anhängern Mursis angeordnet. Ihnen wird Aufruf zur Gewalt im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Al-Fatah-Moschee am Kairoer Ramsesplatz am Samstag vorgeworfen.

Gleichzeitig wurde die Anklage gegen Mursi, der an einem unbekannten Ort festgehalten wird, erweitert. Ihm wird jetzt neben einem Gefängnisausbruch auch Mitschuld am Tod sowie der Folterung von Demonstranten vorgeworfen, die Ende 2012 vor dem Präsidentenpalast in Kairo gegen ein Verfassungsdekret protestiert hatten. Die neue Anklage ermöglicht die Verlängerung der Haft Mursis um weitere 15 Tage. Im Falle des zweiten derzeit inhaftierten Expräsidenten, Husni Mubarak, soll Justizkreisen zufolge ein Gericht am Mittwoch über dessen Freilassung entscheiden.

Unterdessen wurde ein Journalist der Zeitung Al Ahram am Montag nach Beginn der Ausgangssperre an einem Kontrollposten der Armee erschossen; ein Kollege wurde verletzt.