: Kinder lernen lesen lieben
Seit über einem Jahr schickt eine Initiative „Lesepaten“ in die Schulen: Sie sollen die Kinder fürs Lesen begeistern. Bereits 900 Freiwillige beteiligen sich an dem Programm. Lesepaten mit Migrationshintergrund sind noch Ausnahme
Sie sind selten geworden, die jugendlichen Leseratten. Das könnte man zumindest meinen, wenn man sich die jüngste Pisa-Studie vom vergangenen Jahr anschaut. Denn die Berliner Schüler belegten in Sachen Lesekompetenz nur den zehnten Platz im bundesweiten Vergleich. Dabei steht fest: Lesen macht schlau und ist „eine der Schlüsselqualifikationen schlechthin“, sagt die ehemalige Berliner Schulsenatorin Sybille Volkholz. Denn wer die Texte nicht versteht, die er liest, kann sie auch nicht kritisch hinterfragen – und wer nicht fragt, bleibt dumm.
Deswegen gründete Volkholz vor einem Jahr gemeinsam mit dem Verein Berliner Kaufleute das „Bürgernetzwerk Bildung“. Die Initiative sendet so genannte Lesehelfer in Grundschulen, um die Kinder zu unterstützen. Sie kontrollieren, ob die Kinder flüssig lesen und Wörter korrekt betonen. „Wir wollen den Schülern zu besseren Schulleistungen verhelfen“, sagt Volkholz. Denn ein unzureichendes Leseverständnis führe auch dazu, dass die Leistungen in allen Schulfächern beeinträchtigt werden. Zunächst startete das Leseprojekt an fünf Schulen. Mittlerweile gehen bereits 900 Ehrenamtliche in über 60 Bildungseinrichtungen und hören den Kindern dort aufmerksam zu.
Die Lesepaten werden bevorzugt in Schulen eingesetzt, die sich in „sozialen Brennpunkten“ befinden, zum Beispiel in der Neuköllner Regenbogen-Grundschule. Hier stammen 75 Prozent der Kinder aus Zuwandererfamilien; gerade Kinder von Einwanderern oder „bücherfernen Eltern“ haben Schwierigkeiten damit, deutsche Texte zu verstehen. Ein- bis zweimal in der Woche kommen sie zum Unterricht. Volkholz betont aber, dass sie nicht mit den Lehrern konkurrieren möchten. „Wir sind der Ausgleich für die fehlende familiäre Unterstützung.“
Bücher selbst aussuchen
Die Erwachsenen sollen die Kinder nicht mit Hochmut stören, sie sollen sie bei Bedarf verbessern. Um die Kinder zu motivieren, dürfen diese selbst auswählen, was sie lesen wollen. Das Projekt ist so erfolgreich, dass immer mehr Berliner Schulen Lesepaten wollen. Die Nachfrage wächst stetig.
Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher der Grünen, fordert auch türkische Berliner nachdrücklich dazu auf, sich als Lesepaten zu engagieren. Denn von den 900 Ehrenamtlichen hätten lediglich drei einen türkischen Hintergrund. „Aber gerade für türkische Kinder ist eine türkische Identifikationsfigur wichtig“, sagt Mutlu. „Denn wenn die Kids sehen, dass ein Landsmann es geschafft hat, spornt sie das mehr an.“ CIGDEM AKYOL
Wer sich als Lesehelfer ehrenamtlich engagieren will, kann sich bei sybille.volkholz@vbki.de informieren