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Archiv-Artikel

SPEKTAKULÄRE ABSCHIEBEFÄLLE ZEIGEN DEN AUSLÄNDERRECHTLICHEN ALLTAG Flüchtlingsschutz als Gnadenrecht

Im Januar 2005 zogen die Mitglieder der Berliner Härtefallkommission eine positive Bilanz ihrer Arbeit: In 187 Fällen konnte von Abschiebung bedrohten Menschen aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden. In etwa zwei Dritteln aller Fälle war Berlins Innensenator Ehrhart Körting damit den Empfehlungen der Kommission gefolgt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist das viel.

Trotzdem müssen die Entscheidungen des Innensenators natürlich auch hinterfragt werden dürfen. Das gilt umso mehr, wenn sich wie bei dem Beispiel der kurdischen Familie Aydin, ein breites Netz von Unterstützern für ein Bleiberecht einsetzt. Das Engagement der Eltern, der Lehrer sowie der Mitschüler zeigt, dass die Schicksale der betroffenen Flüchtlinge nicht allein deren individuelle Lebensperspektive berührt.

Der Innensenator geht in seiner Argumentation eher von rationalen Erwägungen aus. So werden offenbar auch Fragen der Leistungsfähigkeit der Betroffenen zum Kriterium erhoben. Doch die Härtefallkommission sollte keine Einwanderungspolitik betreiben. Auch wenn deren Entscheidungen oder die des Innensenators nicht rechtlich überprüfbar sind, sollten sie nicht den Charakter eines Gnadenakts annehmen. Auch hier sollten die Vorgaben des völkerrechtlich verankerten Flüchtlingsschutzes berücksichtigt werden. Das heißt, dass es nicht zu Formen der ausländerrechtlichen Sippenhaft kommen oder die Gefahr der Trennung von Familien bestehen darf.

Die UN-Kinderrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention sollten Pflichtlektüre in den Amtstuben jeder Ausländerbehörde in der Bundesrepublik sein. Die Beispiele der Inhaftierung von Kindern im Abschiebungsgewahrsam oder die Trennung von Familien durch beabsichtigte Abschiebungen in den Kosovo, die der Flüchtlingsrat Berlin öffentlich bekant gemacht hat, lässt hier einen Nachholbedarf erkennen.

Flüchtlingsschutz ist auch eine Frage der Achtung von Menschenrechten. Und diese sollten keine Grenze kennen. JENS-UWE THOMAS

Der Autor ist Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Berlin