piwik no script img

Archiv-Artikel

Schick statt inklusiv

UMZUG Das Wohnprojekt für behinderte Menschen der Inneren Mission in Findorff beheimatet 24 Menschen stationär. Für kleinere Wohneinheiten fehlt das Geld

„Diese Art Wohnheim bedeutet eine Entwicklung, die ich mir eher andersherum wünsche.“

Joachim Steinbrück, Landesbehindertenbeauftragter

VON KRISTIN KIELON

Nach zehn Monaten Bauzeit ist das Wohnprojekt der Inneren Mission im Stadtteil Findorff bezugsfertig. Der Neubau bietet 24 Menschen Platz in einem stationären Wohnheim und 12 in einem separaten, aber verbundenen Gebäude in drei Wohngemeinschaften des betreuten Wohnens. Auf der einen Seite die, die eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung brauchen, auf der anderen jene, die weitestgehend eigenständig den Alltag bestreiten können. Bis Ende Mai sollen alle eingezogen sein.

Die Flure versprühen den typischen Studentenwohnheim-Charme, aber die Zimmer des stationären Trakts sind mit rund 30 Quadratmetern geräumig und hell. Jedes hat ein eigenes Badezimmer. Die Ausstattung ist hochwertig: moderne Wohnküchen, Balkon und Parkettboden. Das wolle man den BewohnerInnen bieten, wenn ihnen schon zugemutet werde, umzuziehen, so der Bereichsleiter für psychosoziale Hilfen der Inneren Mission, Heiko Münch.

Einziehen werden Menschen, die bisher in Schwachhausen in Hausgemeinschaften bis zu acht Personen zusammengelebt haben. Die Gruppen sollen auch in Findorff bestehen bleiben, hier jedoch auf einer Etage.

Laut Uwe Mletzko, Vorstandssprecher der Inneren Mission, sind die Häuser in einem Zustand, der nicht tragbar ist: „Da mussten sich bis zu fünf Leute ein Bad teilen.“

Wenig begeistert ist der Landesbehindertenbeauftragte vom neuen Wohnprojekt: Für Joachim Steinbrück bedeutet es „eine Entwicklung, die ich mir eher andersherum wünsche“. So ein Wohnheim könne zum „goldenen Käfig“ werden, befürchtet er. Das „führt zu Isolation und Unselbstständigkeit“. Bei größeren Wohnprojekten sei es schlicht „nicht mehr notwendig, rauszugehen und auf dem Markt ein Schwätzchen zu halten“.

Mletzko betont dagegen gerade „keine Großeinrichtung“ gebaut zu haben. Man wolle jeden Bewohner individuell behandeln – das Motto: „Normalität, Individualität und soziale Integration“. Er räumt jedoch ein, dass auch der Sparzwang des Landes und somit die finanzielle Situation des Vereins ein Grund für den Neubau gewesen sei. Das Land will die Zuschüsse für die Arbeit mit Behinderten reduzieren. Innerhalb der nächsten fünf Jahre müssen die Kosten deshalb in ganz Bremen um acht Prozent gesenkt werden.