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Archiv-Artikel

Das Kleinwalsertal trocknet aus

DIE SCHÖNSTEN STEUEROASEN Teil 4: Früher sind die Deutschen mit Koffern voller Zaster nach Österreich gekommen. Doch ganz allmählich versiegt der Geldstrom über die Grenze

taz-Serie

Die schönsten Steueroasen: Am 5. September startet der Gipfel der 20 größten Industrie- und Schwellenländer in St. Petersburg. Hauptthema hier: Steuerparadiese trockenlegen. Die taz zeigt sie jetzt schon: die schönsten Steueroasen der Welt.

Das Sparmodell Kleinwalsertal: Bis 2011 keine Steuern auf Zinsen und Kapitalerträge.

Wohlfühlfaktor: Berge, Almen, frische Luft, es stinkt aber nach Geld.

Bisher erschienen: Jersey, Groß Berßen, Hongkong.

VON RALF LEONHARD

WIEN taz | Zum dritten Mal in Folge haben Vermögensmanager nach einer Umfrage des Berliner Fuchsbriefe-Verlags die Walser Privatbank im Jahr 2013 zum besten Private-Banking-Institut Österreichs gekürt. Kein Wunder, denn das idyllische Alpental in Vorarlberg ist deutschen Vermögensanlegern eine wohl bekannte Steueroase.

Die Bergwelt scheint hier noch in Ordnung. Zwischen Alpengipfeln führt die 2.500 Meter hohe Walserstraße von Oberstdorf im Allgäu nach Riezlern im österreichischen Vorarlberg. Es ist die einzige Straße, die das Tal mit der Außenwelt verbindet. Wer ins übrige Österreich will, muss über Bayern fahren, hier durch. Deswegen war die Exklave vor Zeiten der EG ein Zollausschlussgebiet: Der Zoll kontrollierte nicht, weil es für ihn als deutsches Territorium galt. Das Bankwesen aber unterlag und unterliegt der österreichischen Gesetzgebung. Das hieß: Wer nicht in Österreich lebte, zahlte lange Zeit auf Zinsen und andere Kapitalerträge keine Steuern.

Die drei zwischen 1.086 und 1.215 Meter Seehöhe gelegenen Ortschaften Riezlern, Hirschegg und Mittelberg mit rund 5.000 Einwohnern haben es so auf die weltweit größte Bankendichte gebracht. Einige der Institute sind international gut vernetzt. Alle großen Bankinstitute Österreichs unterhalten hier eine Filiale. Die Hypo Vorarlberg leistet sich gleich zwei Niederlassungen. Und es sind ganz offensichtlich nicht die kleinen Sparer oder die einen Kredit brauchenden Bergbauern, die hier umworben werden. Das in Österreich noch immer vergleichsweise wohl gehütete Bankgeheimnis ist vor allem für deutsche Kunden attraktiv. Seit Sommer 2011 trocknet die Steueroase allerdings allmählich aus. Seitdem gilt: Die Finanzbehörden ziehen 35 Prozent Quellensteuer ein. Davon werden drei Viertel an den deutschen Fiskus überwiesen. Immerhin bleiben die Kontoinhaber anonym.

Eine Statistik der Österreichischen Nationalbank geht aber davon aus, dass Privatkunden aus Deutschland vor der Lockerung des Bankgeheimnisses vor vier Jahren mindestens 6 Milliarden Euro in Österreich veranlagt hatten, vor allem im Kleinen Walsertal und in der Tiroler Gemeinde Jungholz.

Bis 1. September 2009 gaben österreichische Banken ausländischen Behörden nur dann Auskünfte über Kunden, wenn ein Strafverfahren gegen einen Kontoinhaber etwa in Deutschland eingeleitet worden war. Jetzt reicht ein „begründeter Verdacht“ bei Steuervergehen, damit Österreichs Banken Informationen über ihre Kunden ins Ausland weitergeben können. Inzwischen soll die Kooperation mit den deutschen Partnerbehörden zu deren Zufriedenheit ablaufen. Für Max Kaufmann, Geschäftsführer des Hotels Alte Krone in Mittelberg, ist der Rückgang des Geschäfts mit der Steuerflucht klar sichtbar: „Schon seit 2004 schließt eine Filiale nach der anderen.“ Früher hätten alle im Tal profitiert: „Da war’s wirklich eine Oase.“ Jetzt hat er gemischte Gefühle. Am Wochenende sei das Hotel immer gut ausgebucht. Unter der Woche „ist es ruhig“. Und nur vereinzelt würden Gäste ihre Rechnung in bar begleichen.

Auch die Banken sind in ihren Internetauftritten vorsichtiger geworden. Ihre Verbindungen zu überseeischen Steuerparadiesen und Hinweise auf liechtensteinische Privatstiftungen werden nicht mehr offensiv beworben. Allerdings werden Bankdaten nach wie vor nicht automatisch mit EU-Ländern ausgetauscht. Im Rest der EU ist das üblich.