: Kreisen, bis die Reifen glühen
Bis zu 15.000 BerlinerInnen verdienen mit Taxifahren ihr Geld. Viel ist es nicht. Über die Gründe für die Misere streiten die zwei Berufsverbände: Für den einen ist die schlechte wirtschaftliche Lage schuld, für den anderen ein Überangebot
Im bundesweiten Vergleich hat Berlin billige Taxitarife. Dennoch kränkelt die Branche. Doch warum? Gibt es etwa zu viele Taxen in der Stadt?
„Genau 6.586 Konzessionen für Taxis existieren in Berlin – Stand Mitte März 2006“, sagt die zuständige Mitarbeiterin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO). Um die Betriebspflicht zu erfüllen, müssen die 3.215 Taxiunternehmer ihre Wagen an wenigstens 180 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden bereithalten. So kommt in Berlin nach einer Untersuchung des Deutschen Taxiverbands auf knapp 500 Einwohner ein Taxi, in Brandenburg dagegen auf gut 2.000 Bewohner. Im reichen Baden-Württemberg teilen sich gar 2.656 Bürger ein Taxi.
Etwa die Hälfte der Berliner Taxiunternehmer sind so genannte Einwagenbetriebe. Der Rest besitzt mehrere Taxen bis hin zu großen Betrieben mit über 50 Taxen. Organisiert sind die Taxiunternehmer in zwei Berufsverbänden, die jeweils eine sehr unterschiedliche Sicht auf die Lage haben. So spricht Wolfgang Wruck von der „Innung des Berliner Taxigewerbes“ seit Jahren „von einem ständigen Überangebot an Beförderungskapazitäten“. Er sucht nach Möglichkeiten, die Zahl der Konzessionen zu beschränken. Die Innung vertritt vor allem die Einwagenbetriebe.
Dagegen sieht Detlev Freutel, geschäftsführender Vorstand des Taxiverbands Berlin und Brandenburg, „die allgemeine wirtschaftliche Lage als das Hauptproblem“. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage stimme allgemein nicht. Sein Taxiverband vertritt überwiegend die Mehrwagenbetriebe.
„Der alte Traum, mit einer Taxe selbstständig zu sein, ist heute Romantik“, sagt der 54-jährige Freutel. „Vielmehr herrscht seit etwa 1993 ein ungeheurer Überlebenskampf.“ Er legt mit Zahlen nach: Hatte man in den 80er-Jahren an einem Wochenende oft noch 40 bis 50 Touren pro Schicht, so sind es heute im Jahresdurchschnitt 10 bis 11 Touren pro Schicht. „Das entspricht einem Fahrgast pro Stunde – zu wenig“, rechnet Freutel vor. „12.000 bis 15.000 Menschen leben in Berlin vom Taxifahren“, schätzt er. Genaue Zahlen gebe es nicht. Zum einen verlängern viele ehemalige StudentInnen ihren „Personenbeförderungsschein“ aus „sportlichen Gründen immer weiter“, zum anderen gebe es viele FahrerInnen, die sich nur ab und zu ins Taxi setzen, um ein Zubrot zu verdienen.
Von Konzessionsbeschränkungen hält Freutel nichts. „Zweimal in den vergangenen Jahren versuchte dies die Innung zusammen mit dem Senat durchzusetzen; zweimal kassierte das Oberverwaltungsgericht dieses Vorhaben.“ Neben einer Besserung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage setzt er vor allem weiter auf den attraktiven aktuellen Tarif, der unter anderem Kurzstrecken bis zu zwei Kilometer für drei Euro erlaubt. Besonders diesen „Winktarif“ will die Innung gerne abschaffen.
Auch über die neuste Diskussion im Taxigewerbe kann Freutel nur den Kopf schütteln: Im Rahmen der allgemeinen Deregulierung wird das in den 70er-Jahren als verbindliche Lackfarbe eingeführte Hellelfenbein in Frage gestellt. „Andere große Unternehmen geben Millionen für Werbekampagnen aus, um mit einer Farbe eine bestimmte Dienstleistung zu identifizieren.“ Christoph Villinger
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