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Archiv-Artikel

Guinea fiebert mit seinem Diktator

Guineischer Präsident Lansana Conté liegt in einer Schweizer Klinik im Sterben. Für den Fall seines Todes wird in dem westafrikanischen Land ein Bürgerkrieg befürchtet

BERLIN taz ■ Das Regime des einzig verbliebenen Altdiktators in Westafrika erlebt anscheinend seine letzten Tage. Lansana Conté, autokratisch regierender Präsident von Guinea seit 1984 und seit vielen Jahren schwer krank, liegt seit Ende letzter Woche in einer Genfer Klinik und wird inzwischen künstlich beatmet. In Oppositionskreisen wird schon heftig darüber spekuliert, was aus Guinea nach einem Ableben Contés werden könnte.

Seit mehreren Jahren warnen internationale Beobachter, Guinea sei der nächste Bürgerkriegskandidat Westafrikas nach Sierra Leone, Liberia und der Elfenbeinküste. In dem Land zirkulieren zahlreiche Waffen und arbeitslose Veteranen dieser Kriege. Der 72-jährige Conté, ehemals Militär, lebt seit langem zurückgezogen und hat bisher weder eine demokratische Öffnung noch eine offene Diskussion um seine Nachfolge zugelassen. 1993, 1998 und 2003 ließ er sich zwar vom Volk wählen, aber die Wahlen gelten allesamt als gefälscht. Guinea, das die größten Vorkommen des Aluminiumerzes Bauxit weltweit hat, ist eigentlich sehr reich, aber seine Bevölkerung zählt zu den ärmsten Afrikas, und seit Monaten mehren sich Streiks und Hungeraufstände. Mehrere Premierminister, die politische und ökonomische Reformen versuchten, haben in den letzten zehn Jahren aufgegeben, entnervt von Contés Willkür. Guinea zählt allerdings zu den engsten Partnern der USA in Westafrika; die Unterstützung seiner Armee für Rebellen im benachbarten Liberia 2003 war maßgeblich für den damaligen Sturz des liberianischen Herrschers Charles Taylor.

Seit einer Woche, so melden guineische Oppositionelle, soll die Armee wieder in höchster Alarmbereitschaft sein, und es wird spekuliert, dass hohe Generäle sich auf eine Machtübernahme vorbereiten. Die demokratische Opposition Guineas ruft seit mehreren Jahren das Militär dazu auf, per Putsch das Conté-Regime zu beseitigen. Putschversuche und Soldatenaufstände hat es in Guinea in den letzten Jahren mehrfach gegeben. Zufällig kam ein früherer Putschistenführer, Artilleriekommandant Yaya Sow, genau in der Nacht zum vergangenen Samstag aus der Haft frei, in der Präsident Conté nach Genf geflogen wurde.

Seit Monaten rüsten sich Guineas politische Kräfte für die Nach-Conté-Ära. Die einzige im Parlament vertretene Oppositionspartei legte ihre Mandate Anfang des Jahres aus Protest gegen Wahlfälschung bei den Kommunalwahlen vom Dezember 2005 nieder. Am vergangenen Wochenende legte eine Konferenz von Oppositionsparteien in Guineas Hauptstadt Conakry einen Plan zur Bildung einer Übergangsregierung der Nationalen Einheit vor, die zusammen mit einem Übergangsparlament mit Vertretern von Parteien, Militär und Zivilgesellschaft und unter Überwachung afrikanischer Regionalorganisationen freie Wahlen vorbereiten solle.

Doch Guineas Parteienlandschaft ist nach Ethnien sortiert, und nach Contés Tod dürften Machtkämpfe ausbrechen. Während der Präsident in der Schweiz weilt, übt Premierminister Cellou Dallein Diallo die Amtsgeschäfte aus; im Todesfall wäre der als Hardliner geltende Parlamentspräsident Aboubacar Somparé verfassungsgemäßer Nachfolger. DOMINIC JOHNSON