: „Wir werden euch immer finden“
GEGENWEHR Auch im Kampf gegen hohe Mieten wird auf Drohgebärden gesetzt: Autonome haben sich eine Liste gemacht
Die Kreuzberger Öko-Apartments stehen auf der Liste, die Backstein-Lofts in Weißensee und die im Bau befindliche Edel-Studentenunterkunft in der Köpenicker Straße auch. Sie alle seien Teil der „antisozialen Stadtumstrukturierung“ und müssten „mit einem Besuch rechnen“.
Seit April dieses Jahres steht die „Berliner Liste“ im Internet, anonym geführt von Autonomen. Rund 100 Neubauprojekte, Architekten- und Investorenbüros, Ämter und Gerichte werden dort aufgereiht. Der Immobilienmarkt in der Stadt boome, Mieter würden an den Rand gedrängt, also müsse der „Druck auf die Gegenseite erhöht“ werden. Aufgerufen wird zu „kreativen, radikalen Aktionen“.
Neu ist es nicht, dass Autonome ihre Gentrifizierungskritik auch militant umsetzen. Schon Ende der achtziger Jahre wurden in Kreuzberger Restaurants gegen die „Schicki-Mickisierung“ Fäkalien geschüttet. Später explodierten vor einer Baugesellschaft und dem Haus eines Stadtplanungsleiters gar Sprengsätze. Die „Berliner Liste“ ergänzt die punktuellen Angriffe nun mit einer dauerhaften Drohgebärde. Psychoterror verwenden im Wohnungskampf beide Seiten – skrupellose Eigentümer, aber eben auch Autonome.
Tatsächlich zeigen sich selbst alternative Wohnprojekte verunsichert durch die Kampagne. Was könne man tun, um nicht dort zu landen? Wer auf der Liste steht, wird von der Polizei über Sicherheitsvorkehrungen beraten.
Für die Autonomen erfüllt das bereits den Zweck: Die Drohkulisse steht. 17 Straftaten rechnet die Polizei der „Liste“ bisher zu. Mal flogen Farbbeutel, mal wurde ein Fundament geflutet, mal brannte Baumaterial. Zuletzt trafen Steine und Farbbeutel die Choriner Höfe in Pankow. Das Landeskriminalamt gründete eine Ermittlergruppe, um die Angreifer und Autoren der Seite zu finden. Bei den Razzien in acht linken Wohnungen vor anderthalb Wochen hoffte man auch hierzu fündig zu werden.
Der Berliner Verfassungsschutz nennt die Gentrifizierungskritik inzwischen ein „Kernthema“ der Autonomen. Die Szene genieße hier das „höchste Mobilisierungspotenzial“ und zeige eine „immer besorgniserregendere Gewaltbereitschaft“.
Es bleibt beim Druck
Dass es ihnen um Druck geht, kommunizieren die Militanten offen. „Wir haben euch immer gefunden, wir werden euch immer wieder finden“, hieß es nach Farbbeutelwürfen auf Firmen, die die Kreuzberger „Spree-Living“-Lofts planen. „Bis ihr mit euren schmutzigen Geschäften mit Verdrängung und steigenden Mieten aufhört.“ Der Vermieter der im Februar geräumten Familie Gülbol wurde mit einem „Fahndungsaufruf“ bedacht. Und als Neumieter in das zuvor geräumte Szenehaus Liebig 14 im Friedrichshain zogen, flogen Teer und Raketen gegen die Fassade. „Wer dort einzieht“, besagte ein Bekennerschreiben, „wird sich unglücklich machen.“
In der linken Szene finden die Aktionen nicht nur Anklang. Zu sehr wird der Konsens strapaziert, wonach sich Aktionen nicht gegen Personen richten sollten. Es sei falsch, kommentiert ein Nutzer auf der Internetseite der „Berliner Liste“, „alle in einen Topf zu schmeißen“.
Reagiert wurde darauf nicht. Die „Liste“ werde fortgeführt, heißt es stattdessen. Vorerst mit weiteren Aktionen bis zu einer Mietendemo Ende September. Und danach, „bis irgendwann niemand mehr auf dieser Liste stehen möchte“. KONRAD LITSCHKO