: Das teure Kreuz mit der Kirche
Die schwarz-gelbe Landesregierung will künftig für den Kirchenaustritt eine Verwaltungsgebühr von 30 Euro verlangen. Dabei kosten sie diejenigen, die in der Kirche bleiben, viel mehr
VON PASCAL BEUCKER
Wenn jemand einen Verein verlassen will, dann darf dieser keine Gebühr dafür verlangen. Denn dies würde eine „unzulässige Erschwerung des Austritts“ darstellen. So regelt es das Vereinsrecht. Wer in Nordrhein-Westfalen aus der Kirche austreten will, muss hingegen demnächst beim zuständigen Amtsgericht 30 Euro auf den Tisch blättern. So will es die schwarz-gelbe Landesregierung. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das Kabinett bereits beschlossen. Noch vor der Osterpause soll er ins Parlament eingebracht werden.
Nach Angaben der federführenden Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) soll die Gebühr den Verwaltungsaufwand decken, der durch einen Kirchenaustritt entstehe. Auf jeden Fall kann sich Finanzminister Helmut Linssen (CDU) auf einen warmen Geldsegen freuen: Hält der gegenwärtige Austritts–trend an – 59.443 Menschen verließen 2004 in NRW die Kirche (aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht) – würde ihm dies rund 1,8 Millionen Euro in seinen Haushalt spülen.
Mit Bayern und Hamburg an der Spitze, die jeweils 31 Euro verlangen, bitten derzeit schon elf der sechzehn Bundesländer zum Kirchenaustritt Entschlossene zur Kasse. Die letzten Gebührenfreiheitsoasen befinden sich außer in NRW noch in Berlin, Brandenburg, Bremen und in Thüringen. Von den Gebührenerhebungsländern sind Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit 10 Euro am preiswertesten.
Völlig unübersichtlich ist demgegenüber die Lage in Baden-Württemberg. Denn hier sind die Sätze auch noch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. So ist man in Tuttlingen schon mit 15 Euro dabei. Das kleine, im Landkreis Heilbronn gelegene Städtchen Neudenau verlangt hingegen die bundesweite Rekordsumme von 60 Euro für den Austritt.
Doch egal wie hoch die jeweilige Summe auch ist: Finanzpolitisch sei die Erhebung einer solchen Gebühr in Zeiten leerer Kassen widersinnig, kritisiert der Internationale Bund der Konfessionslosen (IBKA). Schließlich bringe die besondere Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer den Staat jährlich um Milliardeneinnahmen. „Wer also den Staat sanieren helfen will, erspart ihm mit der Beendigung der Mitgliedschaft in der Kirchensteuergemeinschaft schon so viel mehr Geld, als mit Austrittsgebühren als Einnahme zu erzielen wäre“, rechnet der in Hagen ansässige Verein vor.
Allerdings fordert der IBKA nicht nur deswegen den Landtag zur Ablehnung des schwarz-gelben Gesetzesvorhabens auf. Denn der Verband sieht darüber hinaus in der Gebührenerhebung vor allem eine unzulässige Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Weltanschauungsfreiheit. Eine Position, die auch die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, teilt: „Es ist nicht hinnehmbar und hat auch mit einer Trennung von Staat und Kirche nichts mehr zu tun, wenn sich das Land NRW nun ausgerechnet an Austrittswilligen schadlos halten will“, sagte sie der taz. Im Landtag werden solche Stimmen wohl ungehört bleiben: Nicht einmal bei der Opposition finden sie Resonanz.
Spannend wird jedoch noch die Frage, was passiert, wenn Kirchenaustrittswillige die geforderte Gebühr nicht zahlen können. Müssen sie dann etwa zwangsweise in der Kirche bleiben? Die Antwort des Justizministeriums auf eine entsprechende taz-Anfrage: Eventuelle Gebührenbefreiungen seien „im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden“. Auf Härtefälle „können und werden die Gerichte angemessen reagieren“. Dass möglicherweise ein religionsmündiger, aber mittelloser 14-jähriger Jugendlicher demnächst vor Gericht ziehen muss, um sein Recht auf Kirchenaustritt einzuklagen, hält der grüne Landtagsvizepräsident Michael Vesper für ein Unding. „Hier ist eindeutig der Gesetzgeber gefordert: Es muss Härtefallregelung her“, sagte Vesper der taz.