: Blut und Bibel
„The Procession“ in Hannover: Kestnergesellschaft zeigt terrorkritische Sarg-Installation von Thomas Hirschhorn
Man könnte auf die Särge steigen. Auf den Händen, die sich, scheinbar blutverschmiert, daraus emporrecken, herumlaufen, wenn man wollte: Provokationen liebt der 1957 in Bern geborene Installationskünstler Thomas Hirschhorn. Seine 2005 bereits in Reykjavik und Porto präsentierte Skulptur „The Procession“ wird ab heute in der Hannoveraner Kestnergesellschaft gezeigt.
Aus vier Särgen, beschriftet mit internationalen Zeitungsschlagzeilen wie „Endlich Frieden?“, „Armut durch Profit ausrotten?“ oder „Wenn die Geschichte einen Knick macht“, besteht die raumfüllende Installation, die auf Gewalt, Krieg und Terrorismus verweist, ohne dass sich sagen ließe, wessen Hände es sind, die da aus dem Boden winken; ein sprechender Zufall ist obendrein, dass sie Bibel, Koran und Schriften des Dalai Lama halten.
Der unhierarchische Charakter der Trauer sowie das auch von Demonstranten gern verwandte Sarg-Symbol haben ihn außerdem inspiriert, jenen Künstler, dessen Werk „Swiss-Swiss Democracy“ 2004 die Schweizer verärgerte, weil er darin Folterbilder aus dem Irak mit Schweizer Kantonswappen kombinierte.
Subtile Provokation von „The Procession“ überdies: die Tatsache, dass Hirschhorn ganz nebenbei mit dem Horror des Lebendig-begraben-Werdens spielt – und der ewig wachen Angst der Lebenden vor den vielleicht doch noch umherwandernden Geistern der Toten. PETRA SCHELLEN
„The Procession“ wird bis zum 28. Mai täglich außer montags in der Kestnergesellschaft Hannover gezeigt