: Karte alt – aber echt?
Eine Untersuchung der chinesischen Weltkarte bestätigt deren Entstehung im Jahr 1736. Die Zweifel aber bleiben
Gavin Menzies sieht müde aus. In seinem Kampf mit Europas etablierten Historikern ist der alte Mann um die halbe Welt von London nach Peking gereist. Menzies ist Autor des Bestsellers: „1421: Als China die Welt entdeckte“. Darin postuliert er die Entdeckung Amerikas durch den chinesischen Admiral Zheng He, der 70 Jahre vor Kolumbus in der Neuen Welt eingetroffen sein soll. Jetzt ist Menzies nach Peking gefahren, um auch den Chinesen zu erklären, dass sie die wirklichen Entdecker Amerikas waren.
„Jemand hat eine Weltkarte angefertigt, bevor die Europäer sie hatten“, insistierte Menzies in Peking. Erst im Januar hatte sein Glaubensgenosse Liu Gang hier eine Karte präsentiert, die alle Kontinente und Pole in groben Umrissen zeigt und dazu Angaben über Sitten und Gebräuche der Ureinwohner macht. Dies sollte sie sein, die erste Weltkarte der Welt. Kohlenstoffanalysen zeigen nun zwar, dass diese Karte wahrscheinlich aus dem auf ihr eingetragenen Jahr 1736 stammt. Ob es sich bei der Antiquität aber um eine Kopie einer Karte aus dem Jahre 1418 handeln soll, wie es der Kartograph von 1736 auf seinem Werk vermerkt hatte, bleibt die große Frage.
Der amerikanische Anthropologe Gunnar Thompson stand Menzies zur Seite: „Fehler auf Karten sind wie Fingerabdrücke“, sagte Thompson. So zeige die umstrittene Weltkarte Kalifornien noch als Insel, Florida fehle ganz. Diese Fehler tauchten in europäischen Karten des 18. Jahrhunderts nicht mehr auf. Also müsse der Kartograf die Fehler von Karten der Ming-Zeit (1368–1644) übernommen haben. In Wahrheit, meinte Thompson, hätten die europäischen Entdecker von diesen chinesischen Karten profitiert.
Das wird heute sicher groß in den chinesischen Zeitungen stehen. Man liebt diese alten Geschichten im neuen China. Sie machen den Chinesen glauben, dass sie nicht nur Schießpulver und Porzellan, sondern auch das Golfspiel und das Skifahren erfunden haben. Wahrscheinlich waren sie auch die ersten auf dem Mond. GEORG BLUMEJOHANN VOLLMER