: Sprechübung mit Korken
BÜRGERFUNK Die Tide Akademie bietet über 30 Kurse, um Einblicke in den Medienalltag zu bekommen. Kursleiter-Motto: „Macht mal!“
VON ROBIN RIEPRICH
„Man sieht ja fast jeden Tag fern“, sagt Hansjürgen Wöhlke, Praktikant beim Hamburger Ausbildungssender Tide. „Aber wenn man ein bisschen was über Fernsehtechnik gelernt hat, achtet man plötzlich auf ganz andere Dinge.“ Dass eine bestimmte Ausleuchtung des Darstellergesichtes oder dreieckige Formen auf der Tapete im Hintergrund zu einer hektischen Stimmung beitragen können, habe er früher nicht wahrgenommen, wenn er vorm Fernseher saß.
Acht Kurse der Tide Akademie hat Wöhlke bisher besucht, hat sie mit einem Textmarker auf einer Programmübersicht gekennzeichnet. Als Nachfolgerin des Offenen Kanals Hamburg hat der nichtkommerzielle Funk- und Fernsehsender den Bildungsauftrag zur obersten Priorität erklärt. Herzstück ist die Tide Akademie, die regelmäßig 30 verschiedene Kurse anbietet. Die Teilnehmer können etwa ihre Sprachtechnik vor dem Mikrophon verfeinern und Grundlagen der Kameraführung oder des Bloggens im Internet erlernen. Wöhlke hat mit einem Korken im Mund deutliches Sprechen geübt und als Videojournalist einen Beitrag gestaltet.
Die Kurse sind offen für alle, Vorerfahrungen sind nicht erforderlich. Am häufigsten kommen Studierende. „Vielen ist ihr Studiengang nicht praxisorientiert genug“, berichtet Akademie-Leiter Christian Meyer. Es sitzen aber auch Schüler und Rentner in den Kursen. „Keiner soll aufgrund seines Alters oder seiner finanziellen Möglichkeiten ausgeschlossen werden“, sagt Meyer.
Ein drei- bis vierstündiger Kurs kostet ermäßigt 25 Euro, der volle Preis beträgt 45 Euro. Alle Kurse finden nach 17 Uhr oder am Wochenende statt, so dass Arbeit, Schule oder Ausbildung einer Kursteilnahme nicht im Wege stehen. Die Kursleiter kommen aus der Medienproduktion. „Es ist schon inspirierend, Profis vor sich zu haben, die ihre Erfahrungen weitergeben können“, sagt Wöhlke. Erst vor kurzem hat er mit einem Kameramann von Spiegel TV das Filmen auf engem Raum in einem Auto geübt.
Die Kurse finden im Tidegebäude auf dem Mediencampus Hamburg statt. Dort herrschen professionelle Bedingungen: Das Studio für die Radioproduktion könnte auch beim NDR stehen. In einem schallisolierten Raum finden sich Flachbildschirme, ein professionelles Mischpult und das Aufnahmemikrophon. Den Kursteilnehmern werden sofort Fernsehkameras, Mikros oder Scheinwerfer in die Hände gedrückt. Nach dem Motto „Macht mal!“. Später dann wird mit den Kursleitern über Fehler und Verbesserungsvorschläge gesprochen.
Einen sendefertigen Beitrag zu produzieren, ist im Rahmen eines vierstündigen Kurses nicht möglich. Die Produktion von Fernsehprogrammen kostet Zeit. Aber wer tiefer in die Materie einsteigen will, kann sich bei Tide für ein Praktikum bewerben. Bei Tide Radio werden auch Schülerpraktikanten genommen.„Ich will mal was mit Medien machen“, ist für viele junge Menschen zur Standardantwort geworden, von Verwandten nach ihrem Berufswunsch gefragt.
„Einen typischen Weg, in der Medienproduktion Fuß zu fassen, gibt es nicht“, sagt Meyer. „Aber hier gewinnen sie sehr schnell einen praktischen Eindruck vom Medienalltag.“
Das Programm der Radio- und Fernsehstation von Tide basiert auf den guten Ideen von Freiwilligen und Praktikanten. „Bei uns dürfen die Praktikanten nicht senden, sie müssen senden“, sagt Meyer. Auf Hansjürgen Wöhlke, einen von derzeit gut 20 PraktikantInnen, trifft dies nicht zu. Er arbeitet nicht in der Produktion, sondern in der Öffentlichkeitsarbeit. Eigentlich wollte er nur für drei Monate bleiben, nun aber möchte er auf ein halbes Jahr verlängern. Er weiß noch nicht genau, was er danach machen will und er hofft bei Tide auf weiteren „Input“ zur Berufsentscheidung. Und außerdem fehlen ihm ja noch 22 Kurse.
Kursangebot: www.tidenet.de