: Pakistan will mehr Föderalismus wagen
VERFASSUNGSÄNDERUNG Präsident Zardari wird Machtbefugnisse abgeben müssen, die sich seine aus dem Militär stammenden Vorgänger per Putsch angeeignet hatten. Auch wird die Macht der Provinzen gestärkt
AUS DELHI SASCHA ZASTIRAL
Die Regierung in Islamabad hat am Freitag dem Parlament eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, die einen Großteil der Macht des Präsidenten auf den Premier und das Parlament übertragen soll. Der Wechsel von dem bisherigen stark präsidialen System zu einer stärkeren parlamentarischen Demokratie dürfte die Politik entscheidend verändern. „Ich beglückwünsche die gesamte Nation“, sagte Premier Yusuf Raza Gillani. Er bezeichnete den Entwurf, der fast ein Drittel aller Verfassungsparagrafen ändern soll, als „historisch“ und „beispiellos in Pakistans Geschichte.“
Künftig soll der Präsident nicht mehr Regierungen entlassen, den Armeechef und den Vorsitzenden der Wahlkommission ernennen oder Provinzversammlungen auflösen dürfen. Diese Autorität soll der Premierminister bekommen. Damit werden fast alle Verfassungsänderungen zurückgenommen, mit denen Pakistans Armeediktatoren seit den 70er-Jahren ihre Befugnisse ausgebaut hatten.
Die Reform sieht auch eine Stärkung der Provinzen und damit des Föderalismus vor. Den hatten die Militärdespoten immer wieder geschwächt. Viele blutige Konflikte, die Pakistan seit Gründung 1947 immer wieder erschüttern, resultierten aus dem Mangel an Legitimität der Zentralregierungen und daraus folgenden Separatismusforderungen. Jetzt soll auch die Nordwest-Grenzprovinz in „Khyber-Pakhtoonkhwa“ („die Khyber-Seite des Landes der Paschtunen“) umbenannt werden, eine alte Forderung der Region.
Pakistanische Kommentatoren lobten am Freitag Präsident Asif Ali Zardari, weil er sich der Beschneidung seiner Macht nicht in den Weg stellte. Jedoch übe er den Großteil seiner Macht ohnehin über sein Amt als Führer der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP) aus, meinen hingegen andere Beobachter. Daher schränke die Verfassungsänderung seine Macht kaum ein.
Zardari blieb jetzt auch keine andere Wahl. Er hatte die Verfassungsänderung bereits vor seinem Amtsantritt zum Präsidenten 2008 versprochen, seitdem jedoch mehrfach hinausgezögert. Doch der Widerstand gegen ihn ist in Regierung und Bevölkerung stark gewachsen. Auch das Oberste Gericht zeigt deutliche Bestrebungen, Zardari wegen mutmaßlicher Korruption zu belangen, in die er früher verwickelt gewesen sein soll. Erst vor wenigen Tagen erregte es Aufsehen, indem es die Behörden der Schweiz dazu aufforderte, ein auf Eis gelegtes Verfahren gegen ihn wiederaufzunehmen. Zardari soll sich am Montag vor dem Parlament zur Verfassungsänderung äußern. Es gilt als sicher, dass beide Parlamentskammern den Entwurf billigen werden.