: Der Walache mit Ausfällen
Die Pappel ist gefällt: Tschechiens Expremier Mirek Topolánek (zu Deutsch: das Pappelchen) ist am Gründonnerstag vom Vorsitz der konservativen Bürgerpartei (ODS) zurückgetreten. Schon zuvor hatte er seine Spitzenkandidatur für die für Ende Mai geplanten Parlamentswahlen aufgegeben. Der Hüne aus der Walachei stolperte über sein eigenes loses Mundwerk: In einem Interview mit dem Schwulenmagazin LUI hatte Topolánek, von 2006 bis 2009 Ministerpräsident Tschechiens, über die Wähler, die Kirche und seinen jüdischen Nachfolger, Jan Fischer, hergezogen. Damit hatte er die Geduld der eigenen Parteifreunde überstrapaziert, die sie während seiner 7 Jahre, 3 Monate und 29 Tage währenden Politkarriere gehabt hatten.
Als „Kerl mit Eiern“, wie sich Topolánek gern selbst titulierte, war der Unternehmer aus dem Osten der Tschechischen Republik 2002 auf die politische Bühne gestürmt. Nach der langen Ära des Václav Klaus endlich ein frisches Gesicht an der ODS-Spitze, dem seine verbalen Entgleisungen nicht allzu übel genommen wurden. Ein Walache eben – direkt und vorwitzig, wie in Prag gesagt wird. So genoss er eine gewisse Narrenfreiheit, wenn er die Wahlversprechen der Sozialdemokraten als „Auschwitzlüge“ und die 2005 noch eifrig diskutierte EU-Verfassung als „Shit“ bezeichnete, dem tschechischen Beamtenapparat eine „Nacht der langen Messer“ versprach oder einem Journalisten drohte: „Ich bringe dich um.“
Auch seine jüngsten Ausfälle wären Topolánek sicherlich durchgegangen, wäre da nicht der Beigeschmack von Korruption und Klientelismus, der seine politische Karriere seit je begleitet. Denn als Politiker hat sich Topolánek weniger um das Wohl des Landes als um das einer engen Gruppe von Vertrauten verdient gemacht. Allen voran um seinen Freund und persönlicher Lobbyisten Marek Dalik, den Rasputin der tschechischen Neuzeit, der es unter den Fittichen Topoláneks vom unbekannten PR-Berater zum protzenden Multimillionär brachte. In Unternehmerkreisen wird inzwischen offen davon gesprochen, dass Topoláneks Regierung Staatsaufträge an die vergab, die mindestens 15 Prozent davon an Bakschisch zahlten. SASCHA MOSTYN