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Archiv-Artikel

Relikte des Sozialismus

Die Kunsthalle Barmen zeigt Fotografien von Uli Bohnen. Etwas geschwätzig und von oben herab werden im Ableger des Wuppertaler Museums Überbleibsel sozialistischer Vergangenheit vorgeführt

AUS WUPPERTALKATJA BEHRENS

Ein dicker bunter Gartenzwerg steht auf dem hässlich plattierten Vorplatz im Schatten, angekettet an ein ausgeklapptes Werbeschild. Im Hintergrund steht ein riesiger Steinkopf vor einem Hochhaus in der Sonne. Selbst im verlorenen Profil ist ein streng blickender Karl Marx zu erkennen. Beim Blick auf die Inschrift wird manches klar: „Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten“, so Karl Marx 1848. Beim Marx-Denkmal in Chemnitz hat 1998 der Zufall des modernen Lebens einen Kontext geschaffen, der die monumentalen Relikte einer vergangenen Epoche mit den banalen Sinnbildern kleinbürgerlicher Sehnsüchte verkettet.

Der Fotograf Uli Bohnen hat ihn gesehen und die Kunsthalle in Barmen, eine Dependance des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, zeigt jetzt seine Bilder. Von 1995 bis 2005 bereiste der Ausstellungsmacher und Künstler, geboren 1948 in Mönchengladbach, Länder der „ehemaligen sozialistischen Staatengemeinschaft“ wie die Ex-DDR, Albanien, Georgien, Armenien oder Kuba. Überall dort entdeckt er bizarre Szenerien, witzige Motive und Absonderliches. Wie den Schuhladen in Tirana, der „Wehrmacht“ heißt oder die Wechselstube, die mit dem Dollarzeichen vorneweg ($EXCHANGE) zur Geschlechtsumwandlung einzuladen scheint.

Natürlich ist das ganz lustig, doch je öfter man diese Bilder betrachtet, umso banaler werden sie. Die vielen Fotografien etwa, die der Künstler 1999 in der Wohnung des Stalin-Biografen Guram Kakhidze in Batumi/Georgien macht. Mit ihnen drückt er unverhohlen sein Befremden über den immer noch gegenwärtigen Personenkult aus, mit dem dem Diktator gehuldigt wird. Letztlich sind es nichts sagende Dokumente einer historisch aufgeladenen Wirklichkeit, die wir längst kennen. Auch zu Milosevics Beerdigung kamen am vergangenen Wochenende Tausende von Menschen, obwohl die Schrecken der jüngsten Geschichte noch allen Menschen in den Knochen sitzen müssten. Es erscheint auch zweifelhaft, ob dieses Phänomen nur dem Sozialismus als Problem unbewältigter Vergangenheit nachhängt.

Zwei kubanische Frauen, die ihren dicken Hintern in enge Jeans gequetscht haben, posieren unter einem Schirm mit der Aufschrift „LOS CAÑONES“ und neben dem Straßenschild einer „Ernst-Thälmann-Straße“ verweist ein weiteres Schild darauf, dass es sich um eine „Einbahnstraße“ handelt: Uli Bohnen hat tatsächlich einen großen Teil seiner Lebenszeit darauf verwandt, durch die vom Sozialismus heruntergewirtschafteten Gegenden unserer Welt zu fahren, um Motive wie diese zu finden. Oder besser: Er ist herumgereist und hatte seine Kamera griffbereit, wenn es etwas Absurdes und Absonderliches zu sehen gab. Die arrogant-spöttische Geste, mit welcher der West-Fotograf in eine sicherlich oft absurde, aber auch traurige Realität einfällt, um Motive für sein Kuriositätenkabinett zu sammeln, bleibt einfallslos.

Zu hoffen bleibt, dass es dem neuen Direktor des Von-der-Heydt-Museums, der dann auch für die Kunsthalle in Barmen zuständig sein wird, gelingen wird, das Profil dieses Hauses zu schärfen. Gerhard Finck, ab April Leiter beider Häuser, möchte hier ein Programm verwirklichen, das politischer und aktueller ist, moderner, internationaler, thematisch interessanter. „Barmen soll ein eigenes Gesicht kriegen“. Das ist auch nötig.

Bis 23. April 2006 Infos: 0202-5636571