: Seltsames Demokratieverständnis
betr.: „Fest im Sattel“, taz vom 22. 3. 06
Das Lukaschenko die Wahl eigentlich nicht hätte fälschen müssen, weil die Hälfte der Weißrussen hinter ihm stehe, ist eine häufig gehörte Weisheit in diesen Tagen. Sie offenbart jedoch ein seltsames Demokratieverständnis. Erstens ist es fraglich, ob jene 50 Prozent die wohl in der Tat für Lukaschenko gestimmt haben, dies nicht auch deshalb taten, weil sie von ihrem Chef oder Institutsleiter dazu genötigt wurden.
Und zweitens ist es ja nicht ganz unverständlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung hinter demjenigen steht, von dem sie Tag ein Tag aus in sämtlichen Medien hören, dass er der Beste, Größte und Klügste ist. Ein großer Teil der Weißrussen hatte schon deshalb keine Wahl, weil sie den Oppositionskandidaten gar nicht kannte. Unter solchen Voraussetzungen hätte Gerhard Schröder die Wahl im vergangenen September sicherlich auch haushoch gewonnen.
STEPHAN STACH, Leipzig