: Zwischen McKinsey und Scientology
betr.: „Lehmann ist auch Kahn“, taz vom 20. 3. 06
Klaus Theweleit übersieht in seiner Analyse des Duells Kahn–Lehmann die neoliberale Grundierung von Klinsmanns Fußballkonzept, die sich in seiner Regelung der Torwartfrage geradezu exemplarisch zeigt. Für Kahn und Lehmann gilt kein Kündigungsschutz, keine Jobgarantie mehr, damit ein gesteigertes Maß an Konkurrenzdruck eine entsprechende Leistungssteigerung inauguriere.
Anstelle eines linken Blicks auf die Fußballmannschaft als zwar arbeitsteiliges, aber solidarisch organisiertes Gesellschaftsmodell, in der die eigenen Schwächen durch Stärken des jeweiligen Mitspielers ausgeglichen werden, tritt so eine Wettbewerbsideologie, die das ursprünglich altruistische Instrument der Auswechslung zur beständigen Drohung umfunktioniert, die innerhalb einer liberalisierten Nationalelf mehr Entlassungsproduktivität gewährleisten soll. Im verqueren, zwischen McKinsey und Scientology angesiedelten Jargon Klinsmanns: Jedem Mannschaftsteil wird ein „Herausforderer“ in den Nacken gesetzt; Stamm- und Ersatzspieler sollen dergestalt dazu gezwungen werden, stets ihr volles „Leistungspotenzial abzurufen“.
Dass diese Annahme irrig ist, hat bereits Christian Wörns, zurzeit nachweislich der beste deutsche Abwehrspieler, bewiesen, indem er sich dem Klinsmann’schen Rotationsprinzip verweigerte. Kahn und/oder Lehmann werden folgen. RAINER BARBEY, Regensburg