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Archiv-Artikel

„Konfrontation mit Kunst“

KUNST Das Marcks-Haus bringt Statuen in die Schule. Interessant ist unter anderem deren Nacktheit

Arie Hartog

■ 49, studierte Kunstgeschichte an der Katholischen Universität Nijmegen, Dissertation über „Moderne deutsche figürliche Bildhauerei“, seit 1996 Kustos, seit 2009 Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses.

taz: Herr Hartog, Sie enthüllen heute zwei Statuen von Gerhard Marcks im Foyer der Gesamtschule Ost (GSO). Warum haben die Ausgang aus Ihrem Museum?

Arie Hartog: Man kann darauf warten, dass die Leute ins Museum kommen, oder man kann die Kunst zu ihnen bringen. Bronzen sind relativ unempfindlich, die kann man durchaus mal woanders hinstellen. Das machen wir mittlerweile regelmäßig. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Marcks das echt gut gefunden hätte.

Die meisten seiner Statuen sind nackt. Wie finden die SchülerInnen das?

Die Annahme, dass Schüler mit Nacktheit Schwierigkeiten haben, kommt meistens von den Erwachsenen. Natürlich gibt es 13-Jährige, für die Nacktsein als total peinlich gilt. Aber zumeist höre ich sehr viel Intelligentes und Unerwartetes bei solchen Diskussions-Anlässen. Und diese Anlässe sollte man den Schülern nicht vorenthalten.

Marcks’ Figuren entsprechen meist nicht dem gängigen Schönheitsideal…

Das bemerken die Schüler sofort – und fangen an, das heute gültige Schönheitsideal zu diskutieren. Und schon ist man mitten in einer spannenden Debatte darüber, welchen Konventionen man sich warum unterwirft.

Neben dem Deutschen Museumsbund steht der Bremer Integrationsrat hinter dem Nackt-Projekt. Ist die Vermutung, islamische SchülerInnen hätten mit Nacktheit besondere Schwierigkeiten auch falsch?

Diese Schwierigkeiten sind bei weitem nicht so ausgeprägt, als man allgemein annimmt – und weit weniger bestimmend als die Altersfrage. Das Entscheidende ist, den Menschen die Konfrontation mit Kunst nicht vorzuenthalten, weil man denkt, das wäre aus diesen oder jenen Gründen nichts für sie. Vergangene Woche waren übrigens 130 Schüler der GSO im Marcks-Haus. 128 von ihnen waren dabei zum ersten Mal im Museum. INTERVIEW: HENNING BLEYL

Skulpturen-Enthüllung: Foyer der Gesamtschule Ost (Walliser Straße 125), 11 Uhr