: „Ein gutherziger kleiner Affe“
Jack Johnson (30) ist Surfer, Filmemacher – und als Musiker gerade auf Europa-Tournee mit seinem entwaffnend harmlosen Folkpop. Ein Gespräch über Wellen, Freunde und einen Affen namens Curious George
INTERVIEW MICHAEL TSCHERNEK
taz: Erst gestern habe ich hier in Köln mit Ben Harper gesprochen. Und er hat nur Gutes über dich zu sagen!
Jack Johnson: Er ist so etwas wie mein großer Bruder in der Musikbranche. Durch ihn hat für mich erst alles angefangen.
Hat er dich inspiriert?
Kann man sagen. Seine Musik hatte alle Elemente, die ich liebe, etwas von Cat Stevens, von Bob Marley, von Jimi Hendrix, aber durch ihn klang das alles plötzlich zeitgenössisch.
Dein Album läuft unter dem Namen „Jack Johnson and Friends“. Erzähl mir bitte mal etwas über die Bedeutung von Freundschaft.
Also für mich gibt es da zunächst einmal die musikalische Erfahrung und die Reise, auf die sie mich mitgenommen hat. Einer der größten Vorteile daran ist, dass man eine Menge neuer Leute kennen lernt. Einerseits welche, die dich selber musikalisch inspirieren, und dann die, die du mit ins Vorprogramm nimmst, für die das dann wiederum das erste Mal ist. Das wäre dann die andere Richtung. Ben Harper und G. Love sind Menschen gewesen, die mich damals mit auf Tour genommen haben, und ich habe das jetzt für Matt Costa und Zach Gill, der auch einen Song auf der Platte singt, getan. Wir sind richtig gute Freunde geworden. Surfen und Musikmachen sind die beiden Dinge, bei denen ich die meisten meiner Freunde kennen lerne.
Abgesehen von Musik und Surfen – wie wichtig sind Freundschaften fürs Leben?
Nun ja, meine Freunde fürs Leben kommen alle aus diesen Bereichen. Der Typ, der in meiner Band Keyboard spielt, hat schon auf meiner Hochzeit gespielt, bevor wir überhaupt eine Band zusammen hatten. Er hat die Hochzeitslieder gespielt.
Die Songs deiner neuen Platte sind gleichzeitig der Soundtrack zu einem Film namens „Curious George“, der auf dem gleichnamigen Kinderbuch beruht. Wer ist George?
Das Buch ist etwas anders als der Film, den sie ein wenig geändert haben, um politisch korrekter daherzukommen. Im Buch ist Curious George ein Affe, der in Afrika im Dschungel wohnt. Dann kommt ein Mann mit einem gelben Hut, der ihn fängt und nach Amerika bringt. Ich glaube zumindest, dass es Amerika ist. Und dort wird der Affe in einen Zoo gesteckt. Der Mann erklärt ihm, dass er es im Zoo besser hätte. Es ist alles ganz fröhlich und lustig. Alles sehr positiv. Im Grunde ist Curious George einfach vor allem immer „curious“, neugierig auf alles. Er hat keine Eltern, kann richtig nicht von falsch unterscheiden und muss alles aus Erfahrung lernen. Deshalb gerät er auch laufend in Gefahr, obwohl er so ein gutherziger kleiner Affe ist. Für viele Eltern dient er wohl auch als Erziehungsmittel. Er macht ja all die Sachen, die neugierige Kinder auch tun, und dann kann man so etwas sagen wie „Weißt du noch, wie sich Curious George das Bein gebrochen hat?“. Als abschreckendes Beispiel.
In „Sharing Song“ singst du: „It’s always more fun to share with everyone“. Klingt nach einem prima Song für die nächste Nationalversammlung der Republikaner. Du lachst?
Klasse Idee! Ich sollte ja wirklich bei George W. Bushs letzter Amtseinführung spielen.
Da wäre der Song gut angekommen.
Tja, ich musste ihnen damals leider sagen, dass ich eben doch eher bei diversen „Schafft Bush aus dem Amt“-Shows auftrete. Wir waren bei „Vote for Change“ dabei und haben da Konzerte gegeben, um ihn aus dem Amt wählen zu lassen.
Eine andere, umweltpolitische Botschaft hast du in dem Song „The 3 R’s“ verpackt: „Reduce, re-use, recycle!“ Ein alter Song, dessen Text du umgeschrieben hast. Wofür standen die drei Rs denn in der ursprünglichen Fassung?
Vorher hieß es bloß „Three is a magic number“, und es ging darum, warum die 3 jetzt eine magische Zahl ist.
Zum Beispiel „Faith, Hope and Charity“ oder „Past, Present and Future“?
Genau, so zieht sich das durch den ganzen Song. Aber wir haben dem Song jetzt eine umweltpolitische Botschaft gegeben. Damit die Amerikaner in dieser Beziehung ein wenig mehr wie die Deutschen werden. Auf Hawaii haben wir nämlich zum Beispiel gar kein Recycling, da liegen wir etwas zurück. In der Zeitung stand neulich wieder eine Müllstatistik, in der alle Länder der Welt aufgeführt waren. Deutschland ist immer ganz oben mit dabei, wenn es um Müllvermeidung geht. Unsere Haushalte sind dagegen immer auf der falschen Seite der Liste.
Könnte man, abgesehen von solchen Dingen, auf Hawaii vergessen, dass man sich in den USA befindet, oder wird man laufend daran erinnert?
Relativ. Ein bisschen von beidem. Es ist ja abseits vom Festland, und man hat manchmal schon das Gefühl, auf einer Insel zu sein. Aber dann fährt man eine Dreiviertelstunde und steht mitten im Wal-Mart, im K-Mart oder sonst irgendeiner Niederlassung einer amerikanischen Kette. Auch auf dieser Insel wird die Idee der Nachhaltigkeit nicht hartnäckig genug propagiert. So gut wie alles wird importiert, inklusive aller Lebensmittel, sodass es in der Beziehung sehr amerikanisch ist. Alles aus der Massenproduktion und dann verladen. Lokale Farmer können hier fast gar nichts auf den Markt bringen. Meine Frau und ich beteiligen uns an einer Stiftung, die sich sowohl der Erziehung als auch der Unterstützung lokaler Produktionsplätze verschrieben hat. Wir wollen der hiesigen Wirtschaft helfen, den Bauern und den Zulieferern für die Lebensmittel in den Schulen.
Hawaii ist immer noch dein Zuhause?
Ja. Die Insel fühlt sich sehr schnell an wie die ganze Welt, sodass man mit 18 das Gefühl hat, man hätte die ganze Welt erobert. Durch Oahu ist man mit dem Auto in einer Stunde durch. Man bekommt ein Gefühl der Zuversicht, und als ich zum ersten Mal aufs Festland kam, war da einerseits diese ganz neue Umgebung, aber andererseits ein ungeheures Zutrauen. Viele meiner Bekannten kamen damals aus Südkalifornien, wo sich diese stereotypen vorstädtischen Ansiedlungen quasi ohne Ende in der Landschaft erstrecken. Ich war etwas verwirrt, sodass ich im Nachhinein sagen würde, dass einem die Insel eine Menge Sicherheit gibt, wie eine Art Nest.
Als du deine Weltreise gemacht hast, gab es da so etwas wie einen Lieblingsplatz für dich?
Also, was Wellen angeht, gibt es nichts Besseres als Hawaii. Ich mochte aber auch Australien. Dort konnten wir Konzerte geben und gleich danach surfen. Ich mag aber auch Gegenden ohne Wellen. Ich hatte viel Spaß in Deutschland und in Frankreich, aber da wieder beim Surfen. In England wollten wir auch surfen, das letzte Mal als wir da waren, aber an dem Tag waren die Wellen nicht gut. Da bekomme ich dann schnell ein bisschen Heimweh. Es ist aber auch mal schön, nicht jeden Tag zu surfen und verschiedenes Publikum zu sehen. Die Energie bei solchen Konzerten ist schwer zu erklären. Sie ist positiv, aber überall ein bisschen anders, je nach Ort.
Kann man vom Surfen etwas über das Leben lernen?
Nicht wirklich. Für mich ist das ein eher selbstsüchtiger Sport. Das Einzige, was mir einfiele, ist etwas, worüber auch der Schriftsteller Joseph Campbell redet: deine Glückseligkeit finden. Ohne Glückseligkeit kann es im Leben keinen Sinn geben. Wenn die Leute nach dem Sinn des Lebens fragen, meinen sie damit doch nur die menschliche Erfahrung. Wenn man etwas hat, was man gern tut, und das jeden Tag tun kann, bist du so nah wie nur möglich dran. Darum geht es beim Surfen eigentlich. Wenn ich das tue, denke ich an nichts anderes. Vielleicht ist das ähnlich wie Meditation oder Yoga, meinetwegen auch Mountainbike fahren oder alte Platten hören.
Was ist mit Stabilität und Balance auf dem Brett? Lernt man auf diesem Weg vielleicht auch die Balance im Leben zu finden?
Da ist etwas Wahres dran. Diese Balance muss man kontinuierlich üben. Ich surfe, seit ich fünf Jahre alt bin. Angefangen habe ich auf einem winzigen Brett. Und jedes Jahr kommt man ein kleines Stück voran, auch wenn man nie denkt, dass man eines Tages diese Riesenwellen surfen wird, die deine älteren Brüder und dein Vater surfen. Aber eines Tages machst du es, ohne darüber nachzudenken. Alles aus dem Gedächtnis und aus der Übung heraus.
Dass du bis dahin geübt hast, merkst du nicht einmal, weil es dir so viel Spaß gemacht hat. Ehe du dich umsiehst, hast du erstaunliche Fähigkeiten und reitest wirklich große Wellen. Eine Menge meiner Freunde kamen durchs College zum Surfen, als sie an die Küste gezogen sind. Mit 18 oder 20. Die erreichen auch ein bestimmtes Level, aber wenn du im Alter von 5 Jahren damit anfängst, hast du noch ganz andere Sachen drauf. Diese Erfahrungen kann einem keiner nehmen. Man hat sein ganzes Leben an etwas gearbeitet und fährt dann die Resultate ein. Und das lässt sich auf viele Dinge im Leben übertragen.
Was ist deine Philosophie, wenn du sie in einem Satz formulieren müsstest?
Mal sehen. Ein Satz … Vielleicht: Amüsier dich – so viel es geht, ohne dem Vergnügen der anderen dabei im Weg zu stehen. Klingt gut.