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Archiv-Artikel

Brigitte Werneburg schaut sich in der Berliner Kunstwelt um

Seitdem Malerei in der Gegenwartskunst als eine grundsätzlich verwerfliche Sache gilt, mit der Ausnahme von wenigen Künstlern wie etwa Albert Oehlen, Gerhard oder Daniel Richter (inzwischen auch umstritten), seitdem wird uns auf wenigstens einer oder besser zwei Zeitungsseiten Caravaggio als großer moderner Maler angepriesen. Das geht natürlich, nachdem die Moderne (auch bekannt als Modernismus) inzwischen längst nicht mehr modern ist. Statt Caravaggio schlage ich Carl Blechen (1798–1840) vor. Erstmals sind in der Alten Nationalgalerie sämtliche 66 Blätter seines Amalfi-Skizzenbuchs von 1829 zu sehen; aufwändig gehängt im Schinkelsaal und klug ergänzt um die eine oder andere Ölskizze, wobei weitere Ölskizzen und Gemälde in den angrenzenden Räumen schon fast zu einer Art Retrospektive seines Werks führen. Blechen war zu seiner Zeit einer der interessantesten und eigenständigsten Künstler, der am wenigsten romantische Romantiker, der mit seiner Malerei William Turner oder Eugène Delacroix näher stand als Caspar David Friedrich. Seine Aufmerksamkeit galt dem Hier und Jetzt der wasserbetriebenen Fabriken der „Bergschlucht(en)“ in der Gegend von Amalfi, in denen etwa Papier hergestellt wurde. Und weil er dieses Hier und Jetzt nicht vedutenhaft realistisch, sondern atmosphärisch, aus Licht- und Schattenfall komponierte, meint man geradezu den strengen Geruch des „Wasserlaufs zwischen Häusern“ der italienischen Provinz zu wittern. Blechen löst Konturen in Flächen auf und konturiert durch die Flächen: Dass sein Werk als herausragende Folie einer selbstreflexiven Gegenwartskunst reizt und auch Michael van Ofens abstrakt-minimalistischen Landschaftsgemälden zugrunde liegt, wundert nicht. Und eine theorie- und geschichtsbewusste zeitgenössische Malerei ist ja nun keine verwerfliche Sache.

■ Bis 11. April, Carl Blechen, Mit Licht gezeichnet, Alte Nationalgalerie (in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste), Di.–So. 10–18, Do. 10–22 Uhr, Bodestraße 1–3, Katalog (Akademie der Künste) 36,90 €