: Kein Sport mit Terroristen
Der Strafverteidigertag in Frankfurt diskutiert über das Konzept eines Feindstrafrechts. Linke Anwälte sind davon fasziniert und abgestoßen zugleich
FREIBURG taz ■ „Die Gesellschaft kommt um den Ausschluss ihrer hartnäckigen Gegner nicht herum.“ Mit solchen Thesen wagte sich der Bonner Strafrechtsprofessor Günther Jakobs am Wochenende zum linksliberal geprägten Strafverteidigertag nach Frankfurt/Main. Zumindest wissenschaftsstrategisch war es ein voller Erfolg. Sein Konzept eines „Feindstrafrechts“ wurde einen ganzen Tag lang diskutiert.
Das Feindstrafrecht ist für Jakobs das Gegenstück zum üblichen Bürgerstrafrecht, bei dem konkrete Rechtsgutverletzungen rechtsstaatlich bestraft werden. Im Feindstrafrecht gehe es vor allem darum, präventiv Sicherheit zu wahren. „Wer sein Leben dauerhaft an kriminellen Strukturen ausgerichtet hat, wird von der Gesellschaft nicht als Person mit vollen Rechten behandelt“, erklärte Jakobs.
Als Beispiel nannte er die Bestrafung der bloßen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, ohne dass eine konkrete Tat nachgewiesen werden muss. Es sei klar, dass dies nicht dem idealen Rechtsstaat entspreche, „aber der perfekte Rechtsstaat böte den Terroristen einen Standortvorteil, wäre geradezu Einladung, zu verweilen“.
Anklang findet Jakobs gerade unter seinen schärfsten Kritikern. Diese sehen in Jakobs Thesen eine recht gelungene Analyse der Strafrechtsentwicklung. So nannte etwa Winfried Hassemer, der als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts den Hauptvortrag auf dem Strafverteidigertag hielt, die Konzeption eines Feindstrafrechts „erhellend“ – um sich dann um so deutlicher von ihr abzugrenzen. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Jörg Arnold rief sogar zum „juristischen Widerstand“ gegen das Feindstrafrecht auf, das die Rechtspraxis schon lange erreicht habe.
Jakobs ist radikale Gegnerschaft gewohnt und entgegnete, dass er das Rechtssystem doch nur beschreibe. „Mir wäre es nicht einmal unlieb, wenn sich die hässliche Gestalt des Feindstrafrechts auflöst.“ Er weiß, wie er sich trotz seiner provozierenden Thesen diskursfähig hält. Hier eine Kritik an Guantánamo, dort eine Abgrenzung zu Carl Schmitt und immer wieder eine völlige Verwässerung seines Konzepts, etwa wenn er den Bürger, der in U-Haft genommen wird, zum „zeitweiligen Partialfeind“ erklärte.
Auf die Frage eines Anwaltes, warum Jakobs denn unbedingt den Begriff „Feind“ verwenden müsse, kam er dann aber wieder auf den Punkt: „Der Terrorist ist eben nicht der Sportskamerad der Gesellschaft.“
Der Hamburger Rechtsprofessor Frank Saliger kritisierte die ganze Diskussion um das Feindstrafrecht. „Bei Jakobs schillert jede Aussage zwischen Analyse und Legitimation.“ Letztlich mache er den Ausnahmezustand salonfähig. Viele linke Juristen unterstützten ihn dabei noch, so Saliger, indem sie nun jeden Abbau von Rechtsstaatlichkeit mit dem drastischen Wort „Feindstrafrecht“ belegten.
Diskussionsleiter Klaus Malek schloss daraus, dass es wohl besser sei, auf den Begriff „Feindstrafrecht“ ganz zu verzichten.
Anders sieht es allerdings in Kolumbien aus, wie Professor Alejandro Aponte aus Bogotá schilderte. Dort gebe es wirklich ein Feindstrafrecht im Kampf gegen linke Guerilla und Drogenhändler.
Wegen des permanenten Ausnahmezustands sei das Strafrecht dort zur „Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln“ geworden. Teilweise habe es eine Geheimjustiz mit anonymen Richtern und anonymen Zeugen gegeben. „Doch weder Drogenhandel, Entführungen noch der Terrorismus konnten damit zurückgedrängt werden, im Gegenteil“, folgerte der Kolumbianer Aponte.
Das hat die deutschen Strafverteidiger irgendwie beruhigt.
CHRISTIAN RATH