Gefangene des Klimakteriums

SERIE Vaginalstraffung, Hormonyoga, Schweißattacken – und doch beste Unterhaltung: Doris Dörries „Klimawechsel“ (20.15 Uhr, ZDF)

Wie Frauen in den Wechseljahren umherirren, das ist überdrastisch dargestellt, keiner kommt hier gut weg, die Männer am allerwenigsten

VON DANIELA ZINSER

Die Frau Mitte, Ende 40 ist zutiefst verunsichert, sie wacht in einer Schweißpfütze auf, wird stetig dicker, versagt völlig im Beruf, hat panische Angst vor dem Altern und greift neben Botox auch zur Vaginalstraffung.

So sieht das Bild der reifen Frau aus. Ab heute. Dank der sechsteiligen ZDF-Miniserie „Klimawechsel“. Will das jemand sehen? Eigentlich nicht. Aber man sollte. Und man muss, denn verschont wird der Zuschauer, der dranbleibt, hier nicht.

Bislang nahm sich die Frau Mitte, Ende 40 gerade einen jugendlichen Liebhaber, schickte den alten Gatten von dannen, hatte in jedem Fall unglaublich erfüllenden Sex und endlich die Gelegenheit, in ihrem Traumjob einzusteigen, gern auch in Afrika. Die Frau Mitte, Ende 40 sah aus wie Christine Neubauer und fühlte sich wahnsinnig wohl in ihrem Vollweibkörper.

Jetzt aber: Menopause, Wechseljahre, schon die Begriffe klingen wenig wohlig, am wenigsten „Klimakterium“, das bereits suggeriert, dass die Patientin unbedingt hinter Glas isoliert gehalten werden sollte. Und so war das bislang auch. Im Fernsehen ging es über ein angedeutetes „Puh, ist mir heiß“ kaum hinaus.

Garantiert schonungslos

Man kann es also nicht anders als mutig nennen, was sich das ZDF da traut mit der Serie, die heute in einer Doppelfolge und ab morgen donnerstags um 21 Uhr ausgestrahlt wird. Und als fürchte man sich da beim Sender selbst, wird „Klimawechsel“ beworben mit „Sex and the City im Klimakterium“. Das ist ebenso doof wie falsch. Denn glamourös und stylish ist das hier nicht. Es ist derb, herb, heftig, ehrlich, verschroben. Und Satire. Und gut! Doris Dörrie hat gemeinsam mit Ruth Stadler das Drehbuch der sechs Folgen geschrieben und bei der Doppelfolge Regie geführt, und allein das garantiert, dass hier nichts beschönigt wird.

Das Einzige, was die Serie mit „Sex and the City“ gemein hat, ist, dass es um vier Frauen geht. Vier Lehrerinnen. Alle sind sie Mitte, Ende 40 oder drüber, sie kämpfen mit ihren Schülern, der Liebe, dem eigenen Körper. Da ist die Kunstlehrerin Desirée (Andrea Sawatzki), die so viel lieber Künstlerin wäre, aber es fehlt an Talent – und an Zeit, denn da ist das fünf Monate alte Baby Lakshmi, und ihr Freund, der Ronnie, verführt lieber die Damen beim Hormonyoga. Biologielehrerin Cornelia (Juliane Köhler) hat panische Angst vor ihren Schülern, versenkt den Kopf zum Stressabbau gern in ihrer Aktentasche und füttert ihren Therapeuten mit Pralinen, bis sie einem ihrer Schüler nahekommt. Mathelehrerin Beate (Ulrike Kriener) ist die Domina der Schule, schreit lieber, als zu reden, kämpft zu Hause mit der Teenietochter und dem lethargischen Mann und hätte zu gern Sex wie mit 20 und den Körper dazu. Von beidem ist auch Deutschlehrerin Angelika (Maria Happel) weit entfernt. Sie wird immer dicker, ihr Mann zwingt sie zum Squash und zur Diät und treibt sie damit in die Arme des kuscheligen Kollegen mit Sinn für Liebeslyrik.

Wie diese Frauen vor oder im Klimakterium umherirren, das ist überdrastisch dargestellt, verzweifelt, traurig, zum Lachen und Weinen, keiner kommt hier gut weg, die Männer am wenigsten. Die Wechseljahre seien eine Zeit des Wandels, des Sichfindens, kann man in Ratgeberliteratur lesen. Aber erst mal wird sich hier kräftig selbst verloren.

Gott, wird es wirklich so schlimm? Maren Kroymann, gerade 60 geworden, nickt: „Ab einem bestimmten Zeitpunkt kommen so Zipperlein – Herzrasen, Schwitzen, Schlafstörungen, man sieht schlechter, die Gelenke werden anfälliger, ach Gott, lässt jetzt auch noch das Gedächtnis nach? Ist das Stress, normales Altern, oder sind es etwa die Wechseljahre?“ Kroymann spielt die Gynäkologin Evelyn Bach, die den Serienheldinnen auch mal Botox spritzt oder eine ordentliche Portion Hormone.

Und wie hat sie ihre Wechseljahre in den Griff gekriegt? „Ich lass bestimmte Nahrungsmittel weg, bewege mich regelmäßig, entspanne mich konzentriert. Und danach wird es viel schöner. Ich fühle mich befreit, bin mit meinem Körper im Reinen und finde, es hat große Vorteile: Man kriegt keine fiesen Pickel mehr, kann ohne OBs reisen.“ Sie fühle sich jetzt mit 60 sogar ein bisschen so wie mit 16: „Ich kleide mich lustigerweise auch so wie damals, trage gerne kürzere Röcke, Stiefel und Rucksack.“ Und die gute Nachricht sei: „Das Geistig-Intellektuelle nimmt zu, das Urteilsvermögen und auch die Großzügigkeit und die Gelassenheit. Ich verzeihe mir selbst viel mehr und mache mir den Leistungsdruck nicht mehr. Das hilft sehr beim Glücklichsein.“

Die vier Frauen in der Serie sind davon allerdings noch weit entfernt. Beate, die sich mit Olivenöl, auf jeden Fall toskanisches, gegen Scheidentrockenheit behilft und sich vom sächsischen Liebhaber sagen lassen muss, sie sei etwas „schlatterig“ da unten; Cornelia, die sich vor dem Klassenraum ohrfeigt und anherrscht: „Du gehst da jetzt rein, ich befehle es dir als dein Vater“ und kurz danach einen ungespielten Harry-und-Sally-Orgasmus in ihre Aktentasche keucht, verpasst von einem, der ihr Sohn sein könnte. Und Desirée, die aus Plastikflaschen Kunst im Stil afrikanischer Masken macht und dafür nur ausgelacht wird, die als Mutter heillos überfordert ist und als Frau immer mehr zu verschwinden scheint.

Andrea Sawatzki, 47, spielt diese Desirée, mit ungewohnt derbem bayerischen Dialekt, selbst im Moment größten Versagens noch überaus liebevoll – und das gilt bei aller Drastik für all die Figuren, all die Schauspieler, es ist traurig, böse, aber nie denunzierend. „Wir Frauen spielen das so, wie es ist, oder in Vorahnung, wie es werden könnte“, sagt Sawatzki. Und für ihre Figur habe sie viel aus sich selbst nehmen können: „Die Verzweiflung, wenn die Kunst nicht anerkannt wird, das Überfordert- und Müdefühlen, und dass man Liebe nicht weitergeben kann, wenn man sich selbst nicht liebt, das konnte ich sehr gut nachvollziehen.“

Ungewöhnlich intim

Ungewöhnlich nah seien die Schauspielerinnen sich beim Drehen gekommen: „Es gab sehr schöne Gespräche über die Beziehung zu unseren Müttern, zu den Kindern. Mit so vielen unterschiedlichen Frauen so gut zu reden bis tief in die Nacht, so etwas habe ich bei Dreharbeiten noch nie erlebt, weil da oft Konkurrenz herrscht. Da geht es oft ums Aussehen. Aber in dieser Serie sehen alle ein bisschen seltsam aus.“

Dass Frauen auch mal einfach so unattraktiv sein – und es bleiben dürfen, dass sie schonungslos mit all ihren Ängsten dargestellt werden, wird das den Rosamunde-Pilcher-sozialisierten ZDF-Zuschauer nicht überfordern? „Es mag Zuschauer geben, die damit ein Problem haben. Aber es wäre ja ganz irrsinnig, daraus zu schließen, es gar nicht zu versuchen“, sagt Maren Kroymann: „Die Amis und die Briten machen es vor, wir hinken hoffnungslos hinterher. Die Serie findet endlich den Anschluss.“ Man müsse den Leuten die Chance geben, sich daran zu gewöhnen, ist Kroymann überzeugt. Sonst werde es auf ewig nur die harmlosen Schmunzelkomödiensachen geben, die keinem wehtun. Das sei der Tod der Komik. Und es unterschätze die Frauen.

„Themen, die Frauen betreffen, werden gern als Frauenthemen gebrandmarkt. Warum eigentlich? Wir sind doch mehr als 50 Prozent der Bevölkerung!“, sagt Maren Kroymann. Ihre Erklärung dafür: „Die Programmentscheider sind meistens Männer. Und die scheinen das Interesse an Frauen zu verlieren, die nicht mehr als Sexualpartnerin infrage kommen, auf die sie ihre erotischen Fantasien nicht mehr projizieren können, die also nicht mehr jung und knackig sind. Das, was sie von Frauen wollen, scheinen sie nicht mehr zu kriegen. Natürlich ist das falsch, man hat ja Sex und sexuelle Gefühle in und vor allem auch nach den Wechseljahren.“

Nicht nur, was die Frauen mit sich selbst auszumachen haben, wird in der Serie so erhellend gezeigt, auch das Verhältnis von Frauen untereinander, das nicht selten von Missgunst und Boshaftigkeit geprägt ist. Auf den Punkt bringt das ein Ausruf der Schulleiterin Mitte 30 (Sophie von Kessel): „Ich kann diese Geschichten weiblicher Überforderung nicht mehr hören!“

Und die Männer? Reagieren sportlich und/oder sexuell hyperaktiv bzw. sind auf dem Sofa schon dahingeschieden wie Beates Mann. Er: „Warum willst du dich unbedingt jung fühlen?“ Es könne doch eh niemand was ändern am Älterwerden. Sie: „Aber es tut so weh!“ Er: „Nur wenn man darüber nachdenkt.“

Für Andrea Sawatzki ist die Serie trotz aller Altersbeschwerden sehr tröstlich, weil sie zeige: „Es kommt darauf an, was man in sich gesammelt hat. Wenn das Innere stimmt, ist es eigentlich unwesentlich, wie sich das Äußere verändert.“ Und wenn die Quoten stimmen, ist ein Kinofilm geplant – über Frauen Mitte, Ende 40 und was sie so machen.