: UN-Blauhelme retten Präsident Kabila
KONGO Weiter Schüsse in der Provinzhauptstadt Mbandaka nach dem österlichen Einmarsch von Rebellen, die dem inhaftierten Oppositionsführer Bemba nahestehen. UN-Truppen bewahrten die Stadt vor dem Fall
BERLIN taz | Im nordwestkongolesischen Mbandaka bleibt die Lage zwei Tage nach dem Überraschungsangriff von Rebellen undurchsichtig. Nachdem sich die Bevölkerung der 500.000 Einwohner zählenden Hauptstadt der Provinz Équateur gestern früh wieder auf die Straße getraut hatte, brachen laut Radioberichten neue Schusswechsel aus. Der UN-Rundfunk sprach von „schweren materiellen Verlusten“ am Flughafen, den die Rebellen am Sonntag besetzt hatten, bis Soldaten der UN-Blauhelmtruppe Monuc eingriffen.
Ohne das rasche Eingreifen der Monuc wäre Mbandaka jetzt vermutlich unter Kontrolle der Rebellen, und der Wasserweg in die Hauptstadt Kinshasa stünde ihnen offen. Was in offiziellen Verlautbarungen meist als Miliz halbnackter Dschungelkämpfer mit Pfeil und Bogen dargestellt wird, war am Ostersonntag mit Uniformen, Artillerie und modernen Satellitentelefonen am Hafen von Mbandaka gelandet und rasch auf Stadtzentrum und Flughafen vorgestoßen.
Die neue Rebellion hatte erstmals im Oktober 2009 unter dem Namern „Widerstandspatrioten“ Aufmerksamkeit erweckt, als Milizionäre des Enyele-Volkes die Stadt Dongo unter ihre Kontrolle brachten. Seit Generationen streiten sich in diesem Gebiet Enyele mit dem Nachbarvolk der Bomboma um Fischereirechte, aber während des Kongokrieges 1998–2003 waren Enyele Teil der nordkongolesischen Rebellenarmee MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) von Jean-Pierre Bemba, während Bomboma-Führer flohen. Es gilt als ausgemacht, dass die neue Enyele-Rebellion 2009 Unterstützung flüchtiger Bemba-Soldaten erhielt. Der MLC-Führer, vor vier Jahren noch Herausforderer Joseph Kabilas bei Kongos Präsidentenwahl, sitzt heute in Den Haag in Haft, die MLC-Provinzregierung in Équateur wurde letztes Jahr unter Korruptionsvorwürfen abgesetzt. Seitdem liebäugeln immer mehr Bemba-Parteigänger mit einer Rückkehr zum bewaffneten Kampf. Viele einstige Bemba-Soldaten schützen nach wie vor Besitztümer des einstigen Rebellenführers in Équateur, dessen Familie zu Zeiten der Mobutu-Diktator eine der reichsten des Landes war.
Vor zehn Jahren erreichten Bembas Truppen trotz wiederholter Offensiven nie Mbandaka, das damals von Simbabwes Armee verteidigt wurde. Dass die neuen Rebellen heute die damalige Frontlinie so leicht durchbrechen, macht deutlich, wie fragil die Macht Kabilas ist. Angriffe auf Provinzhauptstädte hat ansonsten bisher nur Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda im Osten des Kongo verübt.
Erst im Januar hatte Kongos Regierung den endgültigen Sieg über die Enyele-Rebellion verkündet. Aber die 200.000 Menschen, die vor den Kämpfen in die Nachbarländer Kongo-Brazzaville und Zentralafrikanische Republik geflohen sind, kehrten aus Angst vor den Regierungstruppen nicht zurück. Seit Ende Februar wurden erneute Rebellenangriffe gemeldet, viel näher bei Mbandaka als vorher.
Der Zeitpunkt der neuen militärischen Eskalation ist kein Zufall. In Kinshasa wird kontrovers über eine Verfassungsänderung diskutiert, die eine Verschiebung der für 2011 angesetzten Wahlen und eine Verlängerung der erlaubten Amtszeiten des Präsidenten ermöglichen würde. Oppositionelle warnen vor einem Rückfall in die Diktatur. Im Osten des Kongo hat die mittlerweile in die Regierungsarmee eingegliederte einstige Nkunda-Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) begonnen, in ihren Hochburgen erneut ihre eigene Flagge zu hissen. Zugleich drängt die Regierung Kabila auf einen schnellen Abzug der UN-Truppen aus dem Kongo. Ohne UN-Truppen aber, das zeigt der Angriff auf Mbandaka, ist Kabila hilflos.DOMINIC JOHNSON