: Nicht mehr Baum und Borke
STABWECHSEL BRANDENBURG
Hätten nicht andere Malaisen Matthias Platzeck aus der Bahn geworfen, so hätte ihn auf lange Sicht wohl sein Job als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft zu einer gespaltenen Persönlichkeit gemacht: Denn was der nun aus dem Amt geschiedene 58-Jährige schaffen sollte, war zum Scheitern verurteilt. Zum einen hatte er als Ministerpräsident seinen Brandenburgern größtmöglichen Lärmschutz und weitreichendes Nachtflugverbot versprochen. Zum anderen musste er als BER-Oberer daran interessiert sein, dass es für den als Drehkreuz gedachten Flughafen so wenig Hemmnisse wie möglich gibt. Platzeck steckte fest zwischen Baum und Borke.
Dietmar Woidke hat schon vor Amtsantritt die vielleicht wichtigste und richtigste Entscheidung als neuer Ministerpräsident und SPD-Landeschef getroffen: nicht wie Platzeck in den Aufsichtsrat zu gehen, schon gar nicht als dessen Vorsitzender. Natürlich muss auch ein Brandenburger Landesvater daran interessiert sein, dass der neue Flughafen BER funktioniert und für möglichst viele Jobs sorgt. Aber Woidke ist viel freier als Platzeck darin, umzusetzen, was der Landtag im Frühjahr bejahte, um einen sonst drohenden Volksentscheid zu vermeiden: die Forderung des erfolgreichen Volksbegehrens nach einem Nachflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr.
Platzeck hatte nicht zugesagt, dass es tatsächlich dazu kommt, dass tatsächlich in diesen acht Stunden Ruhe herrschen wird. Aber er versprach, das Bestmögliche herauszuholen. Als zentrale Botschaft blieb aber im Land hängen: Das Parlament hat das Volksbegehren angenommen, jetzt muss das erweiterte Nachtflugverbot kommen. Diese Erwartungshaltung brachte in der Landtagsdebatte ein FDP-Abgeordneter auf den Punkt: „Herr Ministerpräsident, verarschen Sie uns nicht. Sonst bricht ein Sturm los, wie Sie ihn noch nicht erlebt haben.“
Woidke, der als Landwirt besser als andere Politiker um die Folgen solcher Naturgewalten weiß, wird sich hüten, den Eindruck des Verarschens zu erwecken. Platzeck hat ihm zur Amtsübergabe als SPD-Chef einen Kompass geschenkt, wie um zu zeigen: Da geht’s lang. Norden wird auch unter Woidke Norden bleiben und Süden Süden. Aber der Kurs des Ministerpräsidenten wird anders als bei seinem Vorgänger nicht mehr abgelenkt sein durch eine andere Chefverpflichtung. STEFAN ALBERTI