: Keine Akten vom Kanzleramt
AUFKLÄRUNG Das Bundeskanzleramt verweigert dem Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags zum Atommülllager Asse eine Reihe von Dokumenten
KANZLERAMT
VON REIMAR PAUL
Will das Bundeskanzleramt wirklich aufklären, wie es zu den Problemen im Atommülllager Asse kommen konnte? Diese Frage stellt man sich im Asse-Untersuchungsausschuss in Niedersachsen. Eine Reihe von Dokumenten, die der Landtag zur Auswertung angefordert hatte, hält die Berliner Behörde jedenfalls zurück. Weitere Akten würden nicht herausgegeben, teilte sie jetzt mit. Kopien des Schriftwechsels liegen der taz vor.
Der Untersuchungsausschuss bemüht sich seit Sommer, die Pannen und Versäumnisse in dem Atommülllager aufzuarbeiten. Unterlagen dazu wurden bei allen Ministerien und Behörden aus Bund und Land angefordert, die mit der Asse zu tun hatten.
Das Bundeskanzleramt habe nur „einige wenige Seiten“ aus dem Zeitraum von 1976 bis 1981 geliefert, bemängelt der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Im Januar bat die Landtagsverwaltung im Auftrag des Untersuchungsausschusses deshalb um Übersendung weiterer Asse-Akten. Das Amt antwortete am 23. März: Dem Ausschuss sei „nach eingehender Auswertung der vorliegenden Aktenbestände und nach rechtlicher Prüfung das den Untersuchungsgegenstand betreffende übersendungsfähige Schriftgut in Kopie zur Verfügung gestellt“ worden. In „wenigen Fällen“ habe man jedoch von einer Übermittlung der Dokumente abgesehen, da diese sich auf den „geschützten Kernbereich des Regierungshandelns“ erstreckten.
Der Auftrag von Untersuchungsausschüssen der Länderparlamente dürfe sich nicht auf bundesrechtliche oder bundespolitische Beweisthemen erstrecken, argumentiert das Amt und beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Danach ist es aber in Ausnahmefällen durchaus möglich, dass zur Aufklärung von Missständen bei Landesbehörden auf schriftliche Unterlagen des Bundes als Beweismittel zurückgegriffen wird.
Abgesehen von der juristischen Bewertung sei die Asse nicht nur Ländersache, sondern auch ein Problem der für die Endlagerung zuständigen Bundesregierung, sagt Wenzel. Bevor das Bundesamt für Strahlenschutz 2009 die Regie übernahm, betrieb das von Bundesregierung und Freistaat Bayern finanzierte Forschungszentrum GSF (später umbenannt in Helmholtz Zentrum München) das Bergwerk. Zudem waren auch Behörden des Bundes aktiv an der Vertuschung der Vorgänge beteiligt, wie Wenzel weiter anmerkt. „Der gesamte Umfang der skandalösen Vorgänge lässt sich nur klären, wenn neben den Landesakten auch möglichst vollständige Bundesakten vorliegen.“
Auch die Landtagsverwaltung teilt die Sichtweise des Kanzleramts nicht. Die Verantwortungsbereiche des Bundes und des Landes ließen sich hier „nicht ohne Weiteres trennscharf voneinander abgrenzen“. Sie seien „angesichts der jahrzehntelangen Gemengelage zwischen Atom- und Bergrecht in vielfältiger Weise miteinander verzahnt“.