: Grüner Spielraum
Baden-Württemberg top, Rheinland-Pfalz Flop: Die eine Deutung für das Wahlergebnis fehlt
VON ULRIKE WINKELMANN
Einen Zusammenhang zwischen den Problemen der Bundesgrünen und den Ergebnissen der Wahlen vom Sonntag erkannte gestern kein befragter Grüner. „Immerhin gab es dieses Mal keinen Gegenwind aus dem Bund – aber auch keinen Rückenwind“, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz, Josef Winkler.
Nein, der Sturz der Rheinland-Pfälzer aus dem Landtag habe nichts mit der noch holprig geübten Oppositionsrolle im Bund zu tun und auch nichts mit der Abwesenheit gewisser Führungspersonen, hieß es. „Wir mussten überall um Aufmerksamkeit sehr heftig kämpfen. Wir hatten nicht mehr Joschka Fischer als Zugpferd“, erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer – und dennoch habe es in Baden-Württemberg das „überzeugende Ergebnis“ gegeben.
Über 100.000 Stimmen Nettogewinn fuhren die Baden-Württemberger Grünen ein und kamen auf 11,7 Prozent. In Rheinland-Pfalz verloren die Grünen zwar nur 0,6 Prozentpunkte, rutschten damit jedoch auf 4,6 Prozent und also aus dem Mainzer Landtag. In Sachsen-Anhalt wuchsen die Grünen zwar von 2,0 auf 3,6 Prozent – landeten damit aber nicht im Magdeburger Landtag. Bei den hessischen Kommunalwahlen schienen die Grünen insgesamt zweistellig, also gut abgeschnitten zu haben.
Eine eindeutige Interpretation ließ das derart gemischte Ergebnis kaum zu. Eine „große regionale Spreizung“ sieht die Hamburgerin Krista Sager nun auf ihre Partei zukommen. Die starke Regionalbezogenheit der Wahlen sei jedoch „möglicherweise ein Vorteil“, denn die Grünen erhielten dadurch mehr „Spielraum“, sagte die Vizefraktionschefin.
Mit dem baden-württembergischen Erfolgsrezept „Mittelstandspolitik plus Schwabentum plus Ökologie“ (Sager) etwa werden die Grünen im kommenden September weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Berlin punkten können, wo sie sich sogar Chancen auf eine Regierungsbeteiligung ausrechnen. Das „Kunststück“, erklärte Sager, liege dann darin, dass die Bundesgrünen für gänzlich unterschiedliche Regionaltrends eine „gemeinsame Grundlage“ formulieren müssten.
Doch selbst wenn Differenziertheit und Dezentralität nun eine grüne Stärke wären – wie gewinnt man damit den nächsten großen Block an Landtagswahlen? 2008 wird gleichzeitig in den grünen Stammländern Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Bayern gewählt.
Wenn man sich die Landkarte anguckt, so der hessische Abgeordnete und Parteistratege Matthias Berninger, wiesen die drei Flächenländer genau solche „hellen, nichtgrünen Flecken“ auf wie Rheinland-Pfalz. Diese können seiner Ansicht nach nur à la Baden-Württemberg geschlossen werden: Die Grünen als Partei des „neuen Mittelstands“, der Selbstständigen auch auf dem Land. Stadtstaaten funktionierten eben nach eigenen Gesetzen.
Möglicherweise wird das der so dringend gesuchte ideologische Kitt zwischen Schwarz-Grün und Rot-(Rot-)Grün: Man erklärt’s mit dem Regionalkolorit.