Ein letzter Tag

Hippen empfiehlt „A Single Man“ von Tom Ford ist die Adaption eines Romans von Christopher Isherwood, der vom Schicksal eines schwulen Briten in den USA erzählt

Ein elegantes Psychodrama, bei dem jedes Möbelstück, jedes Accessoire, jedes Wort und jede Geste mit erlesenem Geschmack in Szene gesetzt wurde.

Von Wilfried Hippen

Es ist äußerst selten, dass ein Regisseur auch noch selber die Anzüge seines Hauptdarstellers schneidert, aber Tom Ford ist eher das Zuschneiden von Stoffen gewohnt als den Filmschnitt. Der äußerst erfolgreiche Modedesigner, der einst ein eigenes Modehaus leitete und für Gucci gearbeitet hat, führte hier zum ersten Mal Regie und natürlich wurde ihm sogleich von einigen amerikanischen Kritikern vorgeworfen, er habe „A Single Man“ eher entworfen als inszeniert.

Tatsächlich ist der Film makellos ausgeführt: ein elegantes Psychodrama, bei dem jedes Möbelstück, jedes Accessoire, jedes Wort und jede Geste mit erlesenem Geschmack ausgewählt und in Szene gesetzt wurde. Aber genau diese Vorherrschaft des Designs ist ja auch das Thema des Films.

Denn der Protagonist George hat sich selbst eine scheinbar perfekte Fassade aus gepflegtem Äußeren, guten Manieren und einer höflich, ironischen Distanz geschaffen. Als ein englischer Akademiker in den USA der frühen 60er Jahre lebt er ein geordnetes und komfortables Leben, und wie es in ihm drinnen aussieht, geht niemanden etwas an. Als Homosexueller war er es von Jugend an gewohnt, seine Gefühle zu kaschieren und nicht aufzufallen.

So konnte er sich mit den herrschenden repressiven Verhältnissen arrangieren und im Halbverborgenen ein durchaus glückliches, monogames Leben führen. Aber nun ist sein Geliebter bei einem Autounfall gestorben und George ist seit Monaten zutiefst verzweifelt. Weder die Kollegen im College, an dem er unterrichtet, noch die sich so bemüht liberal gebenden Nachbarn (wenn deren Sohn ständig mit seiner Spielzeugpistole auf ihn zielt, ist dies schon die schwulenfeindlichste Attitüde des gesamten Films) ahnen, dass er am Rande zum Selbstmord balanciert.

Der Film beschreibt einen Tag in seinem Leben – angefangenen mit einem morgendlichen Alptraum vom Unfall des Geliebten und der folgenden, äußerst sorgfältigen Morgentoilette, bei der ein letzter, hoffnungsloser Blick in den Spiegel deutlich macht, wie tief George in seiner Trauer verfangen ist. Im College unterrichtet er britische Literatur und kann dort anhand eines Romans von Aldous Huxley über Außenseiter und ihre Schwierigkeiten in der Gesellschaft dozieren – auch hier also eine hochkultivierte Sublimation, durch die er in Chiffren seine Situation umschreiben kann.

Zwei junge Männer, ein Student und ein Stricher, sind durchaus an ihm interessiert, doch dies ist kein Melodram, und so machen beide Begegnungen vielmehr deutlich, wie absolut sich George inzwischen allen neuen Erfahrungen gegenüber abgeschottet hat. Nur mit einer alten, ständig betrunkenen Freundin kann er offen reden, und diese ist so egozentrisch, dass kaum etwas zu ihr durchdringt. Wie leer das Leben von George ist, wird daran deutlich, dass dies noch seine tiefste Beziehung zu einem andern Menschen ist.

Von all dem erzählt Tom Ford eher in den Nuancen der Geschichte und durch das subtile Spiel seiner Darsteller. „A Single Man“ basiert auf einem 1964 erschienenen Roman von Christopher Isherwood, dessen „Berliner Geschichten“ zu dem Musical und Film „Cabaret“ verarbeitet wurden. Colin Firth ist in der Rolle des George immer der perfekte Gentleman – der Film handelt nebenbei auch davon, wie Briten unter Amerikanern auch oft den „Englishman“ nur spielen, um deren Erwartungen zu genügen. Interessant sind besonders die kleinen Sprünge in der Maske von George, und es ist die große Leistung von Firth, dass diese seine inneren Schreie immer nur erahnen lassen.