: Mit einem Uwe-Seeler-Gedächtnistor zum Sieg
SYSTEM-DUELL Beim 2:0 gegen Hertha BSC kann der VfL Wolfsburg seinen Aufwärtstrend fortsetzen – trotz mieser 35 Minuten
KLAUS ALLOFS, VFL-MANAGER
Was am Ende als souveräner 2:0-Sieg des VfL Wolfsburg daherkommt, muss sich aus Sicht des Verlierers Hertha BSC etwas unglücklich anfühlen. Schließlich hatte man das Ballbesitzspiel des VfL fast eine Halbzeit lang mit sehr kompakt aussehendem Fußball Marke Jos Luhukay leerlaufen lassen. Und sich bei zwei Kontern echte Großchancen durch Allaqui (2.) und Ramos (29.) erspielt. Ein Rückstand hätte die Wölfe in maximale Verlegenheit gebracht.
VfL-Trainer Dieter Hecking befand, es seien „die schlechtesten 35 Minuten, die wir bislang in dieser Saison gespielt haben“ gewesen. Mag sein. Gleichzeitig war es zu diesem Zeitpunkt ein hochinteressantes Duell zweier Fußballschulen. Doch Fußball ist auch im Zeitalter der Wissenschaft nur begrenzt zu berechnen.
Dass Naldos Schuss dermaßen verunglückte, dass Ivica Olic ihn zum 1:0 eingrätschen konnte (42.), entzieht sich jeder Wissenschaft. Diego führte unmittelbar vor der Halbzeitpause einen Strafstoß herbei und verwandelte ihn selbst zum 2:0. Innenverteidiger Brooks hatte den Brasilianer dazu eingeladen. „Diego nimmt das gerne an“, sagte Hertha-Trainer Lukukay lapidar.
Damit war das Spiel für die Hertha erledigt. Wolfsburg verwaltete den Vorsprung engagiert und vergab noch drei gute Chancen, ihn auszubauen. Es war nach dem 4:0 über Schalke der zweite Sieg in der VW-Arena und es ist nicht mehr zu übersehen, dass der VfL im Gegensatz zum Saisonbeginn des Vorjahres einen Heimspiel-Plan hat und auch in der Lage ist, ihn umzusetzen. Das Team presst in dieser Saison viel früher und dennoch liegt der Schwerpunkt eindeutig mehr auf Dominanz durch Ballbesitz als auf dem schnellen Umschaltspiel.
Mit dem gegen Hertha herausragenden Vieirinha (rechts), Diego (hinter der Spitze) und Koo (offensiver Part der Doppelsechs) sind die Möglichkeiten sowohl beim schnellen Kombinieren als auch beim Tempo-Dribbling gestiegen. Was den 33-jährigen Olic angeht, so wird ab und an gehadert, dass er zwar laufe und kämpfe, aber halt kein richtiger Mittelstürmer sei. Stimmt. Das ist aber nicht seine Schwäche, sondern seine Stärke. Braucht man einen Keilstürmer, dann muss man auf die Rückkehr von Bas Dost warten. Bei der Spielvariante ohne echten Mittelstürmer ist Olic aber immer ein Kandidat für den modernen Job des Neuneinhalbers, der etwa Max Kruse (Mönchengladbach) in die Nationalmannschaft gebracht hat. Sicher war es aber nicht ungeschickt, dass Olic sein erstes Saisontor erzielte. Per Grätsche kam es daher wie eine Art Uwe-Seeler-Gedächtnistor. Er habe zuletzt immer hören müssen, wann das Tor denn komme, ob er überhaupt noch könne, sagte Olic lächelnd. Er kann. Er sei „der Mann unseres Vertrauens“, sagt Klaus Allofs.
„Mehr oder weniger eiskalt“, nannte der Manager die Spielweise das VfL. Aus neutraler Sicht muss man sagen: eher weniger. Noch. Aber beim nächsten Spiel in Leverkusen ist Neuzugang Luiz Gustavo wieder dabei, was die Fehlerquote im Spielaufbau reduzieren sollte. Es könnte wirklich interessant werden, zu sehen, was sich in Wolfsburg entwickelt. PETER UNFRIED